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Mach es gut, Hildesheim!

Von Bernhard Baumgartner

Ab 1. Juli ist die "Hildesheimer Allgemeine Zeitung" die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt.


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Viele Jahre lang hat die "Wiener Zeitung" einen ganz besonderen Titel getragen. Sie ist (bis inklusive des vorliegenden Blattes) die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt. Es war der 8. August 1703, an dem das "Wiennerische Diarium" erstmals erschien. Mit 1. Juli übergeben wir diese Staffel von Wien nach Niedersachsen, wo sie sozusagen unsere etwas jüngere Schwester in Empfang nimmt. Die "Hildesheimer Allgemeine Zeitung", wie sie heute heißt, darf den 24. Juni 1705 als Geburtstag historisch für sich in Anspruch nehmen. Sie ist somit ein Jahr und etliche Monate jünger als wir.

Die "Hildesheimer Allgemeine" war schon bislang die älteste Tageszeitung Deutschlands. Ursprünglich hieß sie "Hildesheimer Relations-Courier", es kam (wie bei uns) zu mehreren Namens- und Eigentümerwechseln. So hieß sie auch "Privilegierte Hildesheimische Zeitung" oder "Königlich-Preußische allergnädigst privilegierte Hildesheimische Zeitung" (1802). Die Zeitung hatte in dieser Zeit keine umfassende Berichterstattung, sondern berichtete überregionale Kriegsereignisse, Naturkatastrophen oder Klatsch und Tratsch.

Privat geführtes Unternehmen

Auch Erscheinungspausen musste das Blatt hinnehmen. 1807 wurde sie als "Stadt-Hildesheimische privilegirte Zeitung und Anzeigen für alle Stände" neu gegründet. Schon damals war der Vorfahre der auch heute noch aktiven Verlegerfamilie Gerstenberg aktiv, der Buchhändler und Verleger Johann Daniel Gerstenberg. Seit 1922 erscheint die Zeitung als "Hildesheimer Allgemeine Zeitung" und ist ein eigenständiges, privat von der Verlegerfamilie geführtes, modernes Regionalblatt mit mehreren Lokalausgaben und selbstverständlich schon längst auch auf allen digitalen Kanälen aktiv. Den überregionalen Teil liefert die "Hannoversche Allgemeine" zu. An die 300-Jahr-Feier im Jahr 2005 erinnert man sich in Hildesheim noch immer gerne - vom Bundeskanzler abwärts trafen sich Würdenträger aus ganz Deutschland zur Feier der ältesten deutschen Zeitung. Die Jubiläumsausgabe war damals so dick und schwer, dass sie die Zustellung an ihre Grenzen brachte.

Tief in der Stadt verwurzelt

Anders als etwa die "Wiener Zeitung" in Wien war die Hildesheimer in der NS-Zeit zunächst nicht eingestellt worden. Die Zeitung wurde im NS-Staat nicht enteignet, musste aber gegenüber den 1920er Jahren einen deutlichen Auflagenrückgang hinnehmen, auch weil eine NS-Zeitung Konkurrenz machte. Nach einer letztlich doch nötigen Zwangspause von mehr als vier Jahren erschien die "Hildesheimer" ab 1949 erneut.

Im Selbstverständnis ist die "Hildesheimer" eine tief in ihrer Heimatstadt verwurzelte Institution. Das zeugt auch der Unternehmenssitz direkt in historischer Zentrumslage am Hildesheimer Marktplatz. Eine dreißigköpfige Redaktion produziert hier 28 bis 32 Seiten. Die Auflage der Zeitung beträgt etwa 25.000 Stück.

Das Geschichtsbewusstsein ist auch in dieser Traditionszeitung spürbar. Themen wie Lokalgeschichte werden von einem Spezialisten gepflegt. Dass man den Titel aus Wien erben würde, traf das Haus eher unverhofft. Begeisterte Leser meldeten sich zuerst in der Redaktion und machten darauf aufmerksam - erst dann recherchierte man und veröffentlichte einen Text. Wir als Redaktion der "Wiener Zeitung" wünschen unseren Nachfolgern jedenfalls ein noch langes, erfolgreiches Erscheinen und alles Gute aus Wien!