Am kommenden Mittwoch konstituiert sich der eigens eingerichtete Sonderausschuss des Nationalrats, der die Arbeit des Österreich-Konvents an einer neuen Verfassung für Österreich fortsetzt. Franz Fiedler, ehemals Konvents-Vorsitzender, sieht "hervorragende Voraussetzungen für eine Einigung".
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"Es besteht überhaupt kein Anlass für Pessimismus, denn bisher wurden noch alle Skeptiker widerlegt", wehrt sich Fiedler mit Verve gegen all jene, die die Arbeit des Konvents als gescheitert betrachten. Zwar gestand auch er bei einer Veranstaltung des MindMappingTables im Managementclub am Mittwochabend zu, dass nicht in allen Bereichen ein Konsens zwischen den Parteien und diversen Interessengruppen erreicht werden konnte, dennoch sieht der ehemalige Vorsitzende "hervorragende Voraussetzungen für eine Einigung" gegeben.
Die notwendige Grundlage dafür würden zum einen der von ihm verfasste Textentwurf für eine neue Verfassung, zum anderen die Fülle an abweichenden Vorschlägen bieten, die gegebenenfalls ausgetauscht werden könnten. "Machen wir es wie Europa", appelliert daher Fiedler an die unabdingbare Flexibilität der politischen Parteien - auch hier habe zunächst der französische Konvents-Präsident Giscard dEstaing einen Entwurf vorgelegt, der schließlich über den Umweg von 88 Abänderungen doch noch zu einer Einigung führte.
Was ihn zusätzlich optimistisch stimmt, ist, dass nun die politischen Akteure selbst Lösungen finden müssen. "Die Politik kann jetzt alle ihr zur Verfügung stehenden Register der Kompromissfindung ausspielen, das ist immerhin ihr ureigenstes Metier." Und wie einfallsreich die Parteien hier zu agieren vermögen, demonstrierte nicht zuletzt die Einigung in der jahrzehntelang umstrittenen Streitfrage der Zwei-Drittel-Mehrheit für Schulgesetze.
Zuversichtlich stimmt Fiedler auch, dass nun die Wissenschaftler und Experten nur mehr eine rein beratende Rolle einnehmen werden - im Konvent waren sie ja mit Sitz und Stimme vertreten. "Die Experten haben wertvolle Arbeit - und das noch dazu völlig unentgeltlich - geleistet, doch dass sie jetzt nicht mehr mitstimmen, ist gut für einen Konsens", ist Fiedler überzeugt.
Ungeachtet seines Optimismus, dass sich die Parteien schließlich doch auf eine neue Verfassung werden einigen können, überwiegt doch sein Realismus beim Zeitrahmen. Für Fiedler wäre es daher auch "kein Unglück", wenn bis Herbst 2006, dem regulären Ende der Legislaturperiode, kein Konsens gefunden ist. In diesem Fall müsste lediglich die neue Regierung den gesamten Konvent-Bericht samt Entwurf neuerlich ins Parlament einbringen - und die Arbeit könnte im Ausschuss weitergehen.
Apropos Sonderausschuss: Die Konstituierung erfolgt laut Auskunft aus dem Büro von Nationalratspräsident Khol am Mittwoch nach der Plenarsitzung. Als Obleute sind die drei Präsidenten des Nationalrats von ÖVP, SPÖ und FPÖ sowie ein Vertreter der Grünen vorgesehen.