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Es ist ja fürwahr prächtig, was dieser schwülheiße Sommer im Blättchenwald, also im deutschen Feuilleton, für Blüten treibt. In der "Welt" etwa gibt es eine Anleitung, wie man ein Gedicht selbst bauen kann. Das ist immerhin relativ realitätsnah. Eine Anleitung, wie man eine Symphonie komponiert, wäre doch allzu verschroben. Und die Tipps, wie man Fußballweltmeister wird, kommen in deutschen Medien momentan einfach nicht gut an. Keine Ahnung, woran das liegt.
Dann schon lieber Gedichte. Und zwar gleich richtige, nichts auf der Basis "Liebe Tante Trude, zum Geburtstag alles Gute" - obwohl man, so steht’s da, auf Vers und Reim schon Wert legen möge (es reicht eine Assonanz), und auch Enjambements soll man nutzen. Thematische Tipps gibt’s obendrein: Bitte keine Heidenröslein bedichten, wie seinerzeit der olle Goethe, sondern "Krebs, Fäulnis, Prostitution, Schrottimmobilien, Autobahnen, Blutgefäße, Hautkrankheiten und Algen". Das Ich möge man weglassen. Na dann:
Hermi war ’ne Hur’. / In ihrer Klitsche / Neben der A 1 zur / Sache ging das Flitscherl. // Dann bekam sie extreme, / Total ekelhafte / Krampfadern und Ekzeme. / In aller Eile raffte // Sie alles Hab und Gut, / Und hing ihren Job an den Nagel. / Doch der Krebs kroch ihr ins Blut. / In Gewitter und Hagel // Stürzte sich Hermi in den See. / Jetzt wachsen Algen aus ihrer Leiche. / Ein Karpfen aber von der Spree / Denkt: "Ick mag se weiche."
Dieses Gedicht bestimmt allen gefällt - kein Wunder, es ist ja Poesie von Welt!