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Zwei Drittel der "Affäre Semmeling", der neuen Großserie von Dieter Wedel, sind also absolviert. Es dauerte auch einige Folgen, bis man die vielen Fäden und Fallstricke, die sich durch diese Hamburger Intrigen-Saga ziehen, halbwegs beisammen hatte, bis man die Struktur und Webart des hanseatischen Politfilzes erkannte, obwohl die Sache grob genug gestrickt ist. Es hat bisweilen sizilianische Ausmaße, wie rund um den Hamburger Bürgermeister buchstäblich geschmiert wird, auch im komödiantischen Sinne. Auch Machiavelli dürfte am Drehbuch mitgeschrieben haben, so wie in diesem Sechsteiler Macht zwischen Kalkül, Erotik und Naturgewalt dargestellt wird.
Im Gegensatz zu der komplexen Handlung sind die Charaktere dafür umso eindeutiger. Von der ersten Sendeminute an hat jeder Darsteller seine Funktion, seinen klar zugewiesenen Knotenpunkt im Netz, das sich langsam zusammenzieht. Diese überdeutliche Zeichnung der Figuren, besetzt mit der bewährten Riege, die Wedel aus seinen früheren Erfolgsserien ("Der große Bellheim", "Der Schattenmann", "Der König von St. Pauli") rekrutierte, von Mario Adorf über Heinz Hoenig bis zu Stefan Kurt, macht das Ränkespiel allzu absehbar. Keinem der Protagonisten wird so etwas wie eine überraschende Entwicklung zugestanden. Die Kunst des Dieter Wedel, und damit bleibt er eine Art Serien-Hexer des deutschen Fernsehens, ist freilich, dass trotz der Absehbarkeit die Spannung erhalten bleibt. Man will, einmal gefangen, zumindest wissen, wie sie alle zu Fall kommen. Die Narben des Sturzes tragen sie vorweg.