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Mitunter führen verblüffend ähnliche Sachverhalte zu erstaunlich unterschiedlichen Schlüssen: Während hierzulande lamentiert wird, warum man ein Bundesland, das für sich beschlossen hat, das Solidaritätsprinzip zu verhöhnen, nicht pleitegehen lassen kann, erschallt aus dem EU-Parlament der Ruf nach einem "Staatsbankrott-Verhinderungs-Gesetz" als Lektion aus der griechischen Misere.
Hinter den diametral entgegengesetzten Forderungen liegt die Erkenntnis, dass die Krise ohne Rücksicht auf sentimentale Befindlichkeiten die Dysfunktionalität staatlicher Handlungslogik bloßgestellt hat; der institutionelle Rahmen, in dem in Europa nach wie vor Politik betrieben wird, passt nicht mehr. Die zahlreichen Rädchen innerhalb der Staaten und zwischen nationaler und europäischer Ebene greifen nicht länger ineinander, wie sie eigentlich sollten.
Das ist keine spezifisch auf Österreich gemünzte Kritik; praktisch alle EU-Staaten, deren Strukturen nach 1945 entwickelt wurden, kämpfen heute mit einem gerüttelt Maß an solch staatlicher Dysfunktionalität; sei es, dass notwendige Veränderungen allzu leicht von Profiteuren des Status quo blockiert werden können; sei es, dass Ausgaben- und Einnahmenverantwortung auseinanderklaffen; sei es, dass die Erbringung staatlicher Leistungen den Grundsätzen von Bürgernähe und Effizienz Hohn spricht.
Im Vergleich mit diesen nationalen Beharrungskräften erweisen sich die europäischen Strukturen von geradezu atemberaubender Anpassungsfähigkeit. Nur zum Vergleich: Die ersten Versuche einer grundsätzlichen Reform des österreichischen Staatsaufbaus liegen in den frühen 1990er Jahren. Geschehen ist seither im Wesentlichen nichts.
Am Donnerstag ließ nun ausgerechnet Italiens neuer Premier Matteo Renzi in Sachen Staatsreform aufhorchen - wie nicht anders zu erwarten mit einem markigen Spruch: "Wenn es mir nicht gelingt, das Zweikammersystem zu überwinden, mache ich mit der Politik Schluss", verkündete der neue Stern an Italiens leidgeprüftem Politikerhimmel. Bis Ende 2015 will er den Senat abgeschafft und die Verfassung umfassend reformiert haben. Ein konkretes Projekt, versehen mit einem konkreten Zeitplan samt Ankündigung persönlicher Konsequenzen im Fall des Scheiterns: Das ist Macho-Politik par excellence und in Österreich völlig undenkbar. Schade.