Sieben Todsünden hat Salzburgs ÖVP-Chef seiner Partei ins Stammbuch geschrieben. Ob die Furcht vor Höllenqualen zur Besinnung führt?
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Wer sie mit Absicht und aus freiem Willen begeht, der büßt dafür mit ewigen Höllenqualen. So steht es jedenfalls im Katechismus der katholischen Kirche unter dem Kapitel Todsünden.
Am Montag hat nun der Salzburger ÖVP-Obmann und Landeshauptmann Wilfried Haslauer mit dem ungerechtfertigten Schutz politischer Organisationen vor der Verdammnis Schluss gemacht - und kurzerhand seiner Volkspartei sieben Todsünden ins institutionelle Gewissen geschrieben. Es ist durchaus bemerkenswert, wie die ÖVP auf die leibhaftige Erscheinung des Beelzebubs - ein pinker Dämon in Gestalt der Neos - für Reaktionen auszulösen imstande ist.
Und so lauten die sieben politischen Todsünden Haslauers: 1. zentralistische Tendenzen fördern; 2. unternehmerische Initiative erschweren; 3. Eigentumsbildung behindern beziehungsweise verunmöglichen;
4. übermäßig Schulen machen;
5. den ländlichen Raum schwächen; 6. antieuropäisch denken - Nationalismen in den Vordergrund stellen; und schließlich 7. den Menschen ihre individuellen Lebensentwürfe vorschreiben.
Tatsächlich beschreibt der Sündenkatalog des Salzburger Landeshauptmanns, dem in Wiener Blättern mitunter höhere Ambitionen nachgesagt werden, schlicht, wie die ÖVP sein könnte, aber eben nicht ist: subsidiär, wirtschaftsliberal, fiskalpolitisch konservativ, europäisch und individualistisch.
Es spricht vieles dafür, dass im beginnenden 21. Jahrhundert weder Bürger noch Parteien sehr viel mehr politischer Programmatik zur Orientierung benötigen. Die Selbstfesselung der etablierten Parteien mit elendslangen Programmen, die von dem Ehrgeiz getrieben sind, eine verstörend widersprüchliche Welt ideologisch passend zurechtzubiegen, hat sich längst als Sackgasse erwiesen. Die Arbeit an Parteiprogrammen hat sich zum Nischenrefugium und Abstellgleis honoriger Würdenträger entwickelt.
Dabei liegt das Problem in den Köpfen der Parteiführungen, die jedwede, von der Parteilinie abweichende Meinungsäußerung aus den eigenen Reihen als Störmanöver, wenn nicht gleich als Hochverrat empfinden. Geschlossenheit gilt diesem Establishment noch immer als höchste Tugend und interne Debatten als schlimmes Übel. Die Parteien als letzter Hort straffer Disziplin inmitten einer Gesellschaft, die das laissez faire zur Maxime erhoben hat: Das ist geradezu grotesk, vor allem, wenn man bedenkt, dass eben diese Parteien den Anspruch erheben, die Gesellschaft und ihr Lebensgefühl widerzuspiegeln.
Es ist, zumal in der Politik, ein seltenes Phänomen, zu gewissen Fragen keine Meinung zu haben, oder noch besser: Schon eine Meinung zu haben, aber andere damit nicht zu behelligen. Zumeist werden solche weiße Flächen in der Programmatik einer Partei als Schwäche gedeutet, dabei haben sind sie eine rare politische Fähigkeit, für deren Bedeutung Österreichs Kultur des wohlmeinenden Patriarchats nicht die geringste Wertschätzung aufbringt.
Möglich, dass sich dies durch die Erosion der beiden in die Jahre gekommenen Patriarchen SPÖ und ÖVP ohnehin von selbst erledigt. Gewiss ist das allerdings keineswegs. Macht macht nicht liberal.