Asyl und Migration waren zweifelsohne die Themen, die den Wahlkampf dominierten. Ein Überblick.
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Wien. Zuwanderung, Flucht, Asyl: Nicht nur die ÖVP- und FPÖ-Spitzenkandidaten Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache haben im Wahlkampf dafür gesorgt, dass über viele andere wichtige Themen wenig debattiert wurde - zu wenig, wie viele Politikexperten sagen. Rund zweieinhalb Stunden oder 9822 Sekunden reine Sendezeit wurde in den privaten TV-Sendern und im ORF ausschließlich über Asyl und Migration gestritten, errechnete die APA. Und obwohl die Zahl der Asylanträge von fast 90.000 im Jahr 2015 auf rund 17.000 im laufenden Jahr drastisch zurückgegangen ist, beschäftigt die Angst vor den gesellschaftlichen und ökonomischen Auswirkungen von Flucht und Zuwanderung nicht nur sozial schwache Schichten.
Abgesehen von der Asyldiskussion, die unter dem Credo "Zuwanderung ins Sozialsystem" vor allem von Kurz und Strache vorangetrieben wurde, spielen die Verwerfungen am Arbeitsmarkt durch die Zuwanderung von Arbeitskräften aus dem - alten und neuen - EU-Ausland eine wesentliche Rolle. Zwischen 2008 und 2016 strömten aufgrund des Falls der Hürden für EU-Ausländer am heimischen Jobmarkt rund 212.000 Personen nach Österreich.
Am Thema kommt also keine der zur Wahl stehenden Parteien programmatisch vorbei.
Asyl: zwischen harter Linieund "europäischer Lösung"
So, wie es Sebastian Kurz darstellt, sind die aus der Fluchtbewegung resultierenden Kostensteigerungen bei der Mindestsicherung für den Staat existenzbedrohend. Jedenfalls, sagt Kurz, sei hier für die öffentliche Hand gehöriges Einsparungspotenzial vorhanden. Die ÖVP fordert im Wahlprogramm demgemäß eine "Obergrenze gleich null" und will die illegale Zuwanderung stoppen. Flüchtlinge sollen künftig nur mehr über Resettlement-Programme aufgenommen werden. Die Mindestsicherung soll nach oberösterreichischem Vorbild für Asylwerber und subsidiär Schutzberechtigte gekürzt werden. Die ebenfalls geforderte Deckelung bei 1500 Euro würde demnach aber nicht nur Flüchtlinge, sondern auch anspruchsberechtigte Österreicher treffen.
Ähnlich hart die Linie der Freiheitlichen: Flüchtlinge im Asylverfahren sollen nur mehr Sachleistungen und keine finanzielle Unterstützung mehr bekommen, zuständig soll dafür der Bund sein. Ob eine Mindestsicherung ausbezahlt wird, will Parteichef Strache von der "Leistungsbereitschaft" abhängig machen. Flüchtlinge sollen in der Grundversorgung bleiben, bis sie sich einen Anspruch auf Sozialleistungen erarbeitet haben - dies soll frühestens nach fünf Jahren möglich sein. Die SPÖ hingegen bleibt beim Asylthema eher vage. Spitzenkandidat und Kanzler Christian Kern verweist in den TV-Debatten gerne auf den bereits erfolgten Rückgang der Asylzahlen durch die Schließung der Balkanroute. "Die Flüchtlingszahlen auf ein Maß reduzieren, das die Integration möglich macht", so das Credo der Sozialdemokraten, die ansonsten programmatisch auf bereits erreichte und noch geplante Integrationsmaßnahmen für Flüchtlinge am Arbeitsmarkt setzen. Zusammen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron sei er, Kern, bereits dabei, mit nordafrikanischen Ländern ein Modell zur Bewältigung der Flüchtlingsbewegung zu erarbeiten. Ähnlich gehen die Neos mit dem Thema um: Die Lösung der Asylthematik sei auf europäischer Ebene zu finden, ansonsten brauche es schnellere Asylverfahren. Zudem wollen die Neos die Dublin-Regelung durch ein europaweites Quotensystem ersetzen.
Die Liste Pilz schlägt ein dreistufiges Asylmodell vor, bei dem sich Österreich jene Flüchtlinge, die besonders gute "Integrationschancen" haben, schon direkt im Herkunftsland aussuchen können soll. Illegale Einwanderung soll nicht mehr möglich sein, und Abschiebungen sollen künftig konsequent durchgeführt werden. Die Grünen wollen demgegenüber die Wiedereinführung des Botschaftsasyls und plädieren für ein "neues, faires und nachhaltiges" EU-Asylsystem.
EU-Zuwanderung: rot-blaues Match um Maßnahmen
Die Frage der Zuwanderung in den heimischen Arbeitsmarkt aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten thematisierte die SPÖ früh im Plan A von Kanzler Kern. In jenen Branchen, wo unter österreichischen Arbeitnehmern durch den Zuzug aus Osteuropa eine hohe Arbeitslosigkeit herrscht, wollen die Sozialdemokraten durch eine Arbeitsmarktprüfung eingreifen: Nur wenn eine freie Stelle nicht durch österreichische Bewerber besetzt werden kann, sollen EU-Bürger zum Zug kommen. Die FPÖ will dieses Modell durch eine sektorale Arbeitsmarktschließung übertrumpfen. Notfalls will die FPÖ diese Regelung auf EU-Ebene juristisch durchsetzen.
ÖVP-Chef Kurz hingegen hofft, dass seine Kürzungspläne im Sozialsystem Österreich auch für EU-Zuwanderer unattraktiv macht, wenn diese einen Job in Österreich wieder verlieren. Nach wie vor fordert Kurz eine Anpassung der Kinderbeihilfe für anspruchsberechtigte EU-Ausländer. Aktuell hat beispielsweise eine rumänische Familie, von der ein Elternteil in Österreich arbeitet, Anspruch auf volle Familienbeihilfe. Kurz will diese dem Preisniveau der jeweiligen Länder anpassen.
Nach geltendem EU-Recht wäre dies allerdings nicht möglich, wie die EU-Kommission erst vor wenigen Monaten entschied.