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Macht Tugend glücklich?

Von Eva Stanzl

Wissen
Peter Kampits : "Die konkrete Situation bedenken".
© © Franz Josef Rupprecht

Menschenrecht und Ethik: künstliche Befruchtung auch für Alleinstehende.


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Wien. Die Moral stellt Systeme mit Regeln und Prinzipien auf - die Ethik analysiert die Legitimität der Gebote und Verbote. Bezüglich des Fortpflanzungsmedizingesetzes setzt die Österreichische Bioethik-Kommission nun "Respekt von Menschenwürde und Fortpflanzungsfreiheit" an erste Stelle, heißt es in einem Entwurf, den sie am Montag dem Bundeskanzleramt vorlegt. Sie befürwortet darin die Freigabe der künstlichen Befruchtung auch für alleinstehende Frauen und lesbische Paare.

Derzeit ist künstliche Befruchtung in Österreich nur heterosexuellen Paaren, die in Ehen oder eheähnlichen Lebensgemeinschaften leben, erlaubt. Die Experten untermauern die aus ihrer Sicht notwendige Liberalisierung mit dem Konzept der "relationalen Autonomie", das sowohl dem Kindeswohl als auch den Interessen der Frau Rechnung trage. Alleinstehende Frauen, die sich aus medizinischen Gründen ihren Kinderwunsch nicht erfüllen können, sollen nicht mehr vom Recht ausgenommen sein, nachzuhelfen - vorausgesetzt, sie erfüllen die psychologischen, sozialen und gesundheitlichen Bedingungen, um ein Kind großzuziehen. Ob es zwei oder nur einen Elternteil hat, oder die Eltern gleichgeschlechtlich sind, mache weniger Unterschied als angenommen.

"Man kann davon ausgehen, dass Menschen mit starkem Kinderwunsch sich mit den Konsequenzen ihrer Handlungen auseinandergesetzt haben. Hingegen kann man kaum behaupten, dass bei jedem Geschlechtsakt an das künftige Kind gedacht wird", betont der Philosoph Peter Kampits, stellvertretender Vorsitzender der Bioethik-Kommission.

Der Entwurf versucht eine von unzähligen ethischen Fragen zu beantworten, die die Hochtechnologie-Medizin aufwirft. Sollten Frauen über 40 Eizellen von Spenderinnen empfangen dürfen? Sollte man in allen Fällen alles technisch Machbare unternehmen, um Leben zu verlängern? Sollte man neuen technischen Möglichkeiten überhaupt Grenzen setzen? Haben Ethiker valide Antworten? "Eine ethische Debatte ist zielführend, weil die Diskussion sonst beliebig wird und Entscheidungen dann nur aufgrund der medizinischen Befindlichkeit gefällt werden. Flächendeckende, diskriminierende Verbote bringen allerdings den Betroffenen gar nichts", sagt Kampits.

Tugend macht also nicht immer glücklich. Jedoch endet meine Freiheit mit der Freiheit anderer. Der Professor am Institut für Ethik in der Medizin an der Donau-Universität Krems plädiert für eine situative Ethik, die von allgemeinen Prinzipien geleitet wird, aber die konkrete Situation mit ein bezieht: "Es macht einen Unterschied, ob jemand genetische Eingriffe vornimmt, die auf eine Lebensstilverbesserung abzielen, oder ob eine alleinstehende Frau den legitimen Wunsch nach einem Kind hat."

Bleibt zu hoffen, dass es so oft wie möglich gelingt, auf die Details einzugehen. Wie der Gesetzgeber über den Vorschlag der Bioethik-Kommission entscheidet, bleibt abzuwarten.