Was sich im Lobbying derzeit abspielt, kann nur erahnt werden. EU-Parlamentarier beklagen den Druck der Finanzindustrie. In den USA pumpt die Wall Street Millionen in die Republikanische Partei, weil der demokratische Präsident die Finanz-Regulierung deutlich verschärfen wird. Wie viel Geld ins Lobbying fließt, weiß niemand.
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Nur ein kleines Beispiel: Im Vorjahr wurde der Dachverband der chemischen Industrie aus dem Lobbyisten-Register der EU-Kommission ausgeschlossen, weil er die Lobby-Ausgaben mit 50.000 Euro absurd niedrig angegeben hatte. Er beschäftigt in Brüssel immerhin 170 Mitarbeiter.
Die vor heftigen Regulierungen stehende Finanzindustrie wehrt sich mit vermutlich deutlich umfangreicheren Mitteln. Lobbying ist die - englisch verbrämte - Umschreibung für die Beeinflussung von Entscheidungsträgern. Das hat es immer gegeben und wird es immer geben. Dass sich eine Gruppe für ihre Interessen stark macht, ist nicht verwerflich. Das Problem entsteht dann, wenn die Grenze zur Korruption oder zur Korrumpierung eines Systems überschritten wird. Und diese Grenze ist breit und fließend. Wie viele Millionen Euro die Finanzinstitute in Brüssel und Washington derzeit ausgeben, um die - politisch gewollte - Regulierung von Banken zu reduzieren oder zu verzögern, weiß der Himmel. In den USA ist man soweit, dass Banken mit enormen Mitteln Republikaner unterstützten, um Obama bei den Kongresswahlen im November eine Niederlage zu "ermöglichen".
Damit greifen Lobbyisten direkt ins demokratische System ein. Und damit nicht genug: Viele Lobbyisten werden später Politiker. Bei den britischen Konservativen gibt es viele Abgeordnete, die aus der PR-Branche kommen, angefangen bei Premierminister David Cameron. Interessenverbände bezahlen auch Mitarbeiter von Politikern (auch in Österreich, wie die Industriellenvereinigung).
Das sind Einflussmöglichkeiten auf demokratische Systeme, die nur dann legitim sein können, wenn sie völlig transparent sind. Alle Zahlen und Namen auf den Tisch - anders wird das nicht funktionieren. In der EU gibt es ein Lobbyisten-Register, doch die Angaben über die Zuwendungen sind freiwillig und allgemein. An wen und wie viel, diese Frage muss beantwortet werden. Andernfalls sollte sich eine globale Lobby-Organisation gründen, die gegen die Lobbyisten vorgeht...