Die SPÖ-Führung könnte mit der Vermögenssteuer die größte Sozialreform seit der Ära Kreisky auf den Weg bringen.
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Seit Jahren gab es nicht so viel Rückenwind für ein sozialdemokratisches Kernthema. Nur wenn die SPÖ-Führung zum Äußersten bereit ist, kann sie sich gegenüber der ÖVP durchsetzen. Die ÖVP-Führung fordert verzweifelt Strukturreformen statt Steuern und wirkt deshalb unglaubwürdig, weil sie das größte Hindernis für solche Reformen ist - Stichworte Föderalismus, Beamte, Bauern, Wirtschaftsförderungen. SPÖ und Gewerkschaften, die seit vier Jahren konsequent für die Vermögenssteuer argumentieren, werfen zweimal pro Woche ein Kaliber in die Diskussionsschlacht, um die Rochade zwischen Kapital und Arbeitsbelastung zu fordern und der ÖVP mit dem Ende der Koalition zu drohen. "Vermögenssteuer oder Koalition", das ist eine entschlossene Ansage. Seit Kanzler Alfred Gusenbauer ersehnen kritische Sozialdemokraten jenes Szenario, das 2014 unverhofft Realität wird: eine SPÖ, die bei der Vermögensverteilung in die Offensive geht. Davon träumten wir auch in der 2007 gegründeten Sektion 8. In unserem allerersten Zeitungskommentar im Jänner 2008 schrieb ich: "Die SPÖ kann bei Konflikten um Sachthemen nicht glaubwürdig mit öffentlicher Konfrontation, geschweige Koalitionsbruch drohen, weil alle Akteure wissen, dass die handelnden Personen im Fall der Fälle lieber ihre Posten behalten, als für eine Überzeugung ein Risiko einzugehen." Dabei spielten wir Monate vor Ausbruch der Finanzkrise auf die jetzt intensiv geführte Diskussion an: "Österreich ist bei den Vermögenssteuern das Schlusslicht aller OECD-Staaten, der Anteil am gesamten Steuer- und Abgabenaufkommen macht hierzulande etwas mehr als ein Prozent aus. Im Schnitt der EU-15 sind es über fünf Prozent."
Führte Österreich tatsächlich eine Vermögenssteuer ein, wären wir das erste EU-Land, das einen konträren Weg zum Sparwahn der EU-Kommission einschlüge. Brüssel argumentiert unter der Chiffre "strukturelle Arbeitslosigkeit" ernsthaft, der Ausschluss eines Viertels der arbeitsfähigen Bevölkerung aus dem Arbeitsprozess in manchen Regionen Europas sei ein notwendiger Schritt zu mehr Wohlstand. Nur um die Logik explizit zu machen: Nicht-Arbeit soll Wohlstand schaffen?! Mit der Besteuerung von Vermögen und der Entlastung von Arbeit nähme Österreich eine Pionierrolle am Weg zu einer neuen Krisenpolitik ein.
Große sozialdemokratische Würfe sind nach 30 Jahren rotem Rückzugsgefecht hierzulande ausgesprochen rar. Die Steuerreform könnte die bedeutendste Sozialreform seit Bruno Kreisky werden. Kann Werner Faymann sie durchsetzen, schreibt er Geschichte. Dies würde sich auch am SPÖ-Bundesparteitag im Herbst niederschlagen.
Entscheidend ist die Risikobereitschaft, die Koalition im Fall der Fälle zu verlassen. Nicht, weil das wünschenswert, sondern weil es notwendig wäre. Eine eventuelle Neuwahl würde zur Abstimmung über die Vermögenssteuer - ein Szenario, das ÖVP und FPÖ fürchten müssten. Die SPÖ-Führung hat erstmals seit der Regierungsbildung 2007 alle Trümpfe in der Hand. Die öffentliche Diskussion ist bereits gewonnen, es geht nur noch um die politische Realisierung. Das ist die wichtigste Auseinandersetzung der Ära Faymann. Erstmals steht die gesamte Partei in einer Frage hinter der Führung. Macht was draus!