In Speyer erinnert eine große Ausstellung an das mittelalterliche Herrschergeschlecht der Salier, das von 1024 bis 1125 die europäische Politik bestimmte.
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Mit der Königswahl Konrads II. betrat im Jahre 1024 erstmals ein Herrscher aus dem Geschlecht der Salier die Bühne der Weltgeschichte. Rund 100 Jahre sollten die Salier herrschen. Ihre Dynastie erstreckt sich von Konrad II. über seinen Sohn und seinen Enkel bis zum kinderlosen Tod seines Urenkels Heinrich V. im Jahr 1125. Im Gebiet am Oberrhein hielten sich die salischen Herrscher besonders gerne auf, am liebsten in Speyer, wo sie ihr Machtzentrum einrichteten und mit dem Dom auch ihre Grabkirche erbauen ließen. Gleich drei große, mit den Saliern zusammenhängende Ereignisse dieser Zeit haben heuer in Speyer ihr Jubiläum: Zum 950. Mal jährt sich die Weihe des Kaiserdoms, vor 900 Jahren wurde Heinrich V. zum letzten salischen Kaiser gekrönt - und noch im selben Jahr verlieh er der Stadt Speyer bedeutende Privilegien.
Zeit des Umbruchs
Diese drei runden Jahrestage nimmt man in der Stadt zum Anlass, das Jahr 2011 zum "Salierjahr" zu erklären. Mit etwa dreißig Veranstaltungen wird in Speyer an die Zeit dieses Herrschergeschlechtes erinnert. Im Mittelpunkt steht dabei die große Ausstellung "Die Salier - Macht im Wandel", die im Historischen Museum der Pfalz das ganze Jahrhundert salischer Herrschaft präsentiert. Hauptausstellungsstück ist dabei der in unmittelbarer Nachbarschaft des Museums gelegene Dom zu Speyer, die einstige "Hauskirche" der Salier. Die Schau im Historischen Museum der Pfalz in Speyer dreht sich um die ganze Zeit salischer Herrschaft. Besonderes Augenmerk legt man aber auf den letzten Salierkaiser Heinrich V., der hier erstmals ausführlich im Rahmen einer Ausstellung vorgestellt wird.
Es war eine Zeit des Umbruchs und des Wandels der Machtverhältnisse, in der die Salier herrschten. Die Fürsten gewannen an politischem Einfluss und schon vielen Zeitgenossen galten sie als "Häupter des Reichs". Auch die Städte entwickelten in dieser Zeit ihr urbanes Gepräge. Nachdem der letzte ottonische König Heinrich II kinderlos gestorben war, wählten die Fürsten 1024 mit Konrad II. erstmals einen Angehörigen des Geschlechts der Salier auf den Königsthron. Als Herrscher über drei Reiche - Deutschland, Italien und Burgund - legte Konrad II. den Grundstein für das Reich der Salier, das das von der Nordsee bis hinunter nach Süditalien reichte. Nach ihm regierten sein Sohn Heinrich III., der Enkel Heinrich IV. und sein Urenkel Heinrich V, ehe das Geschlecht der Salier ohne Nachkommen erlosch.
Heftige Auseinandersetzungen zwischen kirchlicher und weltlicher Macht prägten das salische Zeitalter. Unter dem Stichwort "Investiturstreit" fanden sie Eingang in die Geschichtsbücher. Nur vordergründig ging es dabei um die Frage, wer Bischöfe rechtmäßig einsetzen dürfe. Eigentlich rangen Papst Gregor VII. und Heinrich IV. um die "gottgewollte Ordnung" und die Vormachtstellung im Reich. Als Heinrich IV. 1075 einen neuen Erzbischof in Mailand einsetzte, verstand der Papst dies als direkten Eingriff in seinen Machtbereich und drohte dem König mit dem Kirchenbann. Heinrich IV. forderte den Papst daraufhin zur Abdankung auf. Als Reaktion schloss der Papst den "von Gott eingesetzten König" aus der Gemeinschaft der Christen aus. Mit seinem berühmten "Gang nach Canossa" bei klirrender Kälte im Büßerhemd im Januar 1077 erzwang Heinrich IV. die Loslösung vom Kirchenbann.
Auch während der Regentschaft Heinrichs V. standen das Gerangel zwischen kirchlicher und weltlicher Macht und die Frage der rechtmäßigen Investitur der Bischöfe weiter im Mittelpunkt. Mit großem Gefolge machte sich Heinrich V. im Jahr 1110 auf den Weg nach Rom, um sich zum Kaiser krönen zu lassen und den schon seit Jahrzehnten schwelenden Konflikt zwischen Kaiser- und Papsttum endlich beizulegen. In geheimen Vorverhandlungen schienen der König und Papst Paschalis II. einen sensationellen Kompromiss gefunden zu haben: Die Bischöfe sollten künftig auf ihren weltlichen Besitz und die damit verbundenen Ämter verzichten - und sich nur noch um ihre geistlichen Aufgaben kümmern.
Handgreiflichkeiten
Im Gegenzug verzichtete der König auf die umstrittene Einsetzung der Bischöfe. Diese Regelung, die weltliche und geistliche Sphäre weitgehend trennen sollte, lehnten die Bischöfe während der Kaiserkrönung heftig ab. So endete die geplante Krönung in handgreiflichen Tumulten, in deren Folge Heinrich V. den Papst gefangen nehmen ließ. Nach zwei Monaten Haft gestand der Papst ihm schließlich das Recht der Bischofsinvestitur zu und krönte ihn am 13. April 1111 zum Kaiser.
Der vermeintliche Erfolg des Kaisers erwies sich jedoch als Pyrrhussieg. Fortan galt Heinrich V., der einst 1105 kaum 20-Jährig seinen Vater Heinrich IV. gewaltsam vom Thron gedrängt hatte, den Kritikern in vielen Ländern als "Tyrann" und "Antichrist", als der böse König schlechthin. Viele Fürsten, die als Folge der Jahrzehnte währenden Auseinandersetzungen zwischen Kaiser und Papst zu neuem Selbstbewusstsein gefunden hatten, verweigerten ihm die Unterordnung. Und in den Städten begann ein seine Macht erkennendes Bürgertum auf sein Mitspracherecht zu pochen und in wirtschaftlichen und politischen Fragen mitzubestimmen.
Ein Zeichen dafür ist die Veröffentlichung des sogenannten "Freiheitsbriefes", in dem der Salier-Kaiser Heinrich V. den Bürgern Speyers und explizit auch den Juden der Stadt Privilegien einräumte - Privilegien, die die Abgaben, die Rechte oder die Versammlungsfreiheit betrafen. Rechte, die wichtig dafür waren, dass sich eine Stadt mit ihren Bürgern entfalten konnte. Ein Startsignal für die Ausbildung der modernen europäischen Stadt.
Erst durch das "Wormser Konkordat" 1122 erzwangen die deutschen Fürsten einen Kompromiss zwischen Heinrich V. und Papst Calixtus II.: Fortan fiel die Zuständigkeit für die Bischofswahl den Domkapiteln zu, während der Kaiser die Auserwählten durch die Übergabe von Ring und Stab in ihr neues Amt einsetzen durfte. Als eine "Zeit der Wende, die Gelenkfunktion hat für die weitere mittelalterliche Geschichte", bezeichnet der Speyerer Museumschef Alexander Koch, der zukünftig als Direktor des Deutschen Historischen Museums in Berlin wirken wird, die Zeit der Salier, die mit dem Tod Heinrich V. im Jahr 1125 zu ihrem Ende kam.
Neben dem "Hauptexponat" Kaiserdom, der noch heute als mächtige Kathedrale von der einstigen Macht der Salier kündet und dessen verschiedene Bauabschnitte und Wandlungen über fast ein Jahrtausend in der Ausstellung in Computersimulationen dokumentiert werden, kann die Speyerer Ausstellung noch mit manchem Kleinod aus der Salierzeit aufwarten. Zu den prunkvollsten Stücken gehören die Armlehnen eines Bronze-Throns von Heinrich IV. oder der 700 Kilogramm schwere Krodo-Altar aus Goslar. Eine Fülle von Prachthandschriften dokumentiert das rege geistige Leben der Salierzeit, etwa das wahrscheinlich um 1220 vom späteren Speyerer Bischof Konrad von Tann in Auftrag gegebene "Speyer Evangelistar" mit seinen 17 Miniaturen, 72 Zierinitialen und seinem Prunkeinband aus getriebenem, vergoldetem Silber - die kostbarste Handschrift der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe, die zur Ausstellung den Weg nach Speyer fand.
Jeder Raum der Schau ist einem anderen Thema gewidmet: Das bäuerliche Leben um 1100 oder das Aufblühen der Städte - am Beispiel Speyers, Kölns und Basels - werden ebenso gezeigt wie das wachsende Selbstbewusstsein der Fürsten, das sich im Bau gewaltiger Burganlagen manifestierte. Auch das rege geistige Leben in den jüdischen Gemeinden von Speyer, Mainz und Worms während der Salierzeit wird ausführlich dargestellt. So war Heinrich IV. der erste Herrscher des Reiches, der eine aktive Judengesetzgebung betrieb.
Beim Gang durch die Ausstellung erschließt sich dem Besucher eine Welt, in der die alten Autoritäten auf der Kippe standen und die Weichen für Neues gestellt wurden. Rund 425 Exponate aus 75 europäischen Museen haben die Ausstellungsmacher versammelt, darunter historisch bedeutsame Handschriften, Urkunden, Elfenbeinschnitzereien, Schmuck oder Waffen. Alltagsgegenstände, Reliquienkreuze und selbst die Mauerreste längst untergegangener Burgen und Klöster dokumentieren in der Schau den Wandel im Denken des mittelalterlichen Menschen.
Gewandproben
Als eine Art "Nebenausstellung" präsentiert man in Speyer noch eine weitere hochinteressante Schau: "Des Kaisers letzte Kleider" zeigt, wie heute mit allen möglichen wissenschaftlichen Methoden versucht wird, den Geheimnissen der Salier auf die Spur zu kommen. Als nämlich im Jahr 1900 die Kaisergräber im Dom zu Speyer von Wissenschaftlern geöffnet wurden, entnahm man den Grablegen nicht nur die Grabkronen der Herrscher, sondern auch Seidengewebe, Wollstoffe oder Lederreste und brachte sie ins Bayerische Nationalmuseum nach München.
Mit den technischen Mitteln des 21. Jahrhunderts werden diese Grabbeigaben seit 2009 in einem von Bund, Land und Kirche geförderten Projekt untersucht. In Speyer gewähren die Wissenschafter jetzt faszinierende Einblicke in ihre hoch spezialisierte Arbeit mit diesen organischen Funden aus den Herrschergräbern und lassen die Besucher eintauchen in die Tiefe der Struktur der Stoffe, Farben und Muster der salischen Zeit.
Oliver Bentz, geb. 1969, arbeitet als Germanist und Kulturpublizist und lebt in Speyer.
Macht im Wandel
Die Salier-Ausstellung "Macht im Wandel" ist im Historischen Museum der Pfalz noch bis 30. Oktober 2011 zu sehen. Informationen zur Schau unter www.museum.speyer.de
Zur Ausstellung gibt es einen opulenten Katalog in zwei Bänden. In Band 1 beleuchten Aufsätze international renommierter Historiker die Salierzeit, Band 2 dokumentiert die Exponate der Ausstellung. Die Buchhandelsausgabe erschien im Minerva Verlag, zusammen 650 Seiten, pro Band 29,80 Euro.
Die Ausstellung "Des Kaisers letzte Kleider – Neue Forschungen zu den organischen Funden aus den Herrschergräbern" ist ebenfalls bis 30. Oktober zu sehen. Der Katalog zu dieser Schau ist 240 Seiten dick und kostet 24,50 Euro.
Mehr zum Programm des Salierjahres unter www.salierjahr2011.de O. B.