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Machterhalt war Milosevics einzige politische Vision

Von Dusan Stojanovic

Politik

Mit Massenprotesten auf den Straßen Belgrads hat das serbische Volk binnen Stunden das Schicksal jenes Mannes besiegelt, dessen einzige politische Vision der Machterhalt war. Als er sich am 24. September neuerlich zum Präsidenten wählen lassen wollte und, nach seiner Niederlage das Ergebnis schließlich annullieren ließ, hatten die Menschen endgültig genug von ihm.


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Milosevic kann auf eine blutige Amtszeit zurückblicken: allein durch die vier Balkan-Kriege, die er zwischen 1991 und 1999 angezettelt hat, mussten 250.000 Menschen ihr Leben lassen. Er wurde während seiner 13-jährigen Herrschaft zum Totengräber des Vielvölkerstaates Jugoslawien.

1989, als er Präsident von Serbien wurde, erstreckte sich seine faktische Herrschaft auf alle sechs Republiken des damaligen Jugoslawiens. Der Ultranationalist betonte immer wieder die serbische Vormachtstellung und löste schließlich die Kriege in Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina und im Kosovo aus. Weil ihm die Verfassung eine zweite Amtszeit untersagte, wurde er 1997 Staatschef und verschaffte dem vormals repräsentativen Amt unbegrenzte Befugnisse. Zum Ende seiner Amtszeit änderte er in diesem Sommer die Verfassung, um ein zweites Mal zur Wahl antreten zu können.

Gegen seine Gegner ging Milosevic immer mit äußerster Härte vor. Er wurde gleichermaßen gefürchtet und verabscheut. 1991 schickte er Panzerfahrzeuge, um Demonstrationen der Opposition zu zerschlagen. Er profitierte vom Streit innerhalb der Oppositionparteien und ging aus den monatelangen Demonstrationen 1996 und 1997 gestärkt hervor. In allen Konflikten blieb Milosevics Botschaft immer gleich: Die Welt hat sich gegen Serbien verschworen, und Serbien muss Widerstand leisten. Nach internationalen Sanktionen und wirtschaftlichen Fehlentscheidungen glauben jedoch immer weniger Bürger an diese Verschwörung.

Wenn die Opposition besser zusammengearbeitet hätte, hätte der 59-Jährige, den vor den Präsidentschaftswahlen noch etwa ein Viertel der Serben unterstützten, schon viel früher seine Macht verloren. Doch die NATO-Angriffe im vergangenen Jahr stärkten den Präsidenten und lieferten für viele Bürger den Beweis für eine Weltverschwörung. Der im In- und Ausland isolierte Milosevic vertraut nur seiner Ehefrau Mira Markovic, die ihn im Wahlkampf unterstützte. Zwei Kinder hat das Paar: die 35-jährige Tochter Marija leitet einen Fernseh- und einen Radiosender, dem 26-jährigen Sohn Marko gehört eine Discothek in Belgrad. Ihm werden Verbindungen zur Unterwelt nachgesagt. Milosevic wurde im August 1941 in Pozarevic in Serbien geboren. Seine Eltern begingen während seiner Kindheit Selbstmord. Nach einem Abschluss an der juristischen Fakultät der Universität von Belgrad trat Milosevic 1964 in die KP ein. In den folgenden Jahren war er in der Wirtschaft tätig und wurde 1983 Direktor der Beobanka, einer staatlichen Bank. Nur fünf Jahre später stürzte Milosevic seinen Mentor und Vertrauten Ivan Stambolic als Vorsitzenden der Kommunisten und dehnte so seinen Einflussbereich weiter aus.

Seit dem Vorjahr liegt gegen ihn eine Klage beim Haager Tribunal wegen Kriegsverbrechen vor. Der stellvertretende Ankläger des Tribunals, Graham Blewitt, erklärte erst am Mittwoch, Milosevic drohten weitere Klagen im Zusammenhang mit Kriegsverbrechen in Bosnien und Kroatien.