Zum Hauptinhalt springen

Machtkampf um Österreichs Werbung

Von Peter Muzik

Wirtschaft

Frust wegen WKO-Ausstieg nimmt zu. | Experten lehnen Kammervorschlag ab. | Föderale Struktur bringt viele Nachteile. | Heller Aufruhr in der Tourismusbranche: Die Ankündigung der Wirtschaftskammer Österreich (WKO), sich 2012 aus der Österreich Werbung (ÖW) zurückzuziehen, schlägt seit zwei Wochen riesige Wellen. Der kämmerliche Coup, der die ÖW acht Millionen Euro des Budgets kostet, stößt auf harsche Kritik: "Da wird auf dem Rücken eines ganzen Wirtschaftszweiges ein Machtspiel ausgetragen", ärgert sich Thomas Reisenzahn, Generalsekretär der Österreichischen Hoteliersvereinigung (ÖHV).


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die Zores, welche die WKO ihrem einstigen Generalsekretär-Stellvertreter bereitet, sind beim ÖHV-Kongress in Mayrhofen Gesprächsthema Nummer eins (siehe unten): Minister Reinhold Mitterlehner, der die touristische Marketingorganisation bisher mit der Kammer im Verhältnis drei zu eins finanzierte, muss sich einfallen lassen, wie die ÖW über die Runden kommen soll. Das Gesamtbudget beläuft sich auf gut 50 Millionen Euro.

Der Kammer-Rückzug ist laut Burgenlands Tourismus-Direktor Mario Baier "nicht gscheit" - auch wenn sein steirischer Kollege Georg Bliem gespürt hat, "dass etwas im Busch ist". Die ÖW-Arbeit sei "absolut in Ordnung", streut der Villacher Tourismusexperte Manfred Kohl Rosen, "denn Österreichs Tourismus steht, was etwa die Markenstrategie anlangt, international unglaublich gut da".

WKO-Generalsekretärin Anna Maria Hochhauser hingegen will "Synergien besser nutzen und Doppelgleisigkeiten vermeiden". Die Kammer kritisiert, dass die ÖW in Österreich und in "Zukunftsmärkten" wie Indien, China oder Brasilien zu wenig Werbung mache. Und sie regt seit Monaten an, dass sich ihre rund 100 Außenhandelsstellen stärker um Gäste aus dem Ausland bemühen sollten.

Die Länder kochen ihr eigenes Süppchen

Derzeit beschäftigt die ÖW 230 Mitarbeiter, wovon 90 in der Wiener Zentrale werken, das Gros jedoch in 21 Büros im Ausland - von Rom über Tokio bis New York. Insgesamt werden mit Hilfe von Repräsentanten, die nicht bei der ÖW angestellt sind, 40 Länder betreut. Zwei von drei eigenen Filialen sind mit den Außenhandelsstellen der Kammer in "Austrian Centers" untergebracht. Die WKO ist der Ansicht, dass ihre Leute kostensparend touristische Aufgaben übernehmen könnten - immerhin sind weltweit rund 100 Handelsdelegierte im Einsatz. Experten halten das für keine gute Idee, weil es sich um unterschiedliche Aufgaben handelt und Tourismusmarketing "ein Spezialwissen und Spezialkontakte erfordert", wie es NÖ-Werber Christoph Madl formuliert.

Das ÖW-Budget reicht für 1500 Marketingaktivitäten - von der Printkampagne in Deutschland über eine Veranstaltung in London bis zu Prospekten für Japan. Rund ein Drittel davon, etwa 18 Millionen, holt sich Stolba von den neun Tourismusorganisationen auf Landes- und den nicht weniger als 88 "Destinationsgesellschaften" auf regionaler Ebene. Mit diesen "Leistungsbeiträgen" beteiligen sich kleinere Verbände, die primär im Inland um Gäste werben, an ÖW-Marketingmaßnahmen im Ausland.

Die Kritik der Kämmerer zielt allerdings nicht ganz ins Leere. Eine konzernähnliche Organisation, die laut Consulter Kohl "wünschenswert" wäre, sei nicht möglich, weil Fremdenverkehr in Österreich Landessache sei. Auf Grund unterschiedlicher Strategien, Interessen und Ziele - der finanzkräftige Tourismusverband Ötztal kämpft um andere Zielgruppen als der burgenländische Neusiedler See Tourismus - "müssen alle, nicht zuletzt aus nacktem Konkurrenzdenken", wie es ein Tourismusdirektor formuliert, "ihr eigenes Süppchen kochen".

Wiener Tourismus hat das größte Budget

Die WK-Organisation, die an den Landesverbänden in NÖ, Kärnten und Salzburg beteiligt ist und bei den übrigen gerne mitmischt, würde es begrüßen, wenn im Verein ÖW die Länder (so wie bis 2001) Mitglied wären. Diese haben zwar mehr als doppelt so viel Budget - 2009 fast 120 Millionen Euro - und fast doppelt so viele Mitarbeiter wie die Wiener Zentralstelle, pochen jedoch auf Selbständigkeit. Und sie haben alle Hände zu tun, die unterschiedlichen Anliegen der zahllosen Sub-Verbände im ihrem Bundesland halbwegs unter einen Hut zu bringen.

Norbert Kettner vom Wiener Tourismusverband, der mit 27 Millionen über das höchste Budget verfügt (siehe Tabelle), hat noch am wenigsten Probleme mit der föderalen Struktur. Seine Kollegen, die weniger Geld haben, müssen auf Goodwill der regionalen und lokalen Mitstreiter hoffen. Im Ländle, das acht Millionen Nächtigungen schafft, muss Tourismusboss Christian Schützinger mit 3,5 Millionen durchkommen - sechs "Destinationsmanagementorganisationen", darunter der aus 22 Gemeinden bestehende Bregenzerwald Tourismus, lassen den Marketing-Etat immerhin auf 12 Millionen wachsen.

In der Steiermark agieren elf Regionen als Partner von Landeswerber Georg Bliem, der dem dortigen Tourismusbeirat vorsitzt und es 150 steirischen Lokalverbänden recht machen soll. Im Burgenland gibt es 2 Destinations-, 6 regionale und gleich 125 um Gästebetreuung bemühte, lokale Tourismus stellen.

In Niederösterreich wird daran gearbeitet, die Strukturen zu bereinigen: Die NÖ-Werbung übernahm mit Jahresbeginn die finanzielle und strategische Steuerung der 6 Destinationsverbände. Etwas besser sind die Salzburger dran, weil dort mehrere Tourismusverbände (und nicht das Land) die Mehrheit an der SalzburgerLand Tourismus GmbH halten.

Tirols Touristiker sind die Vorreiter

Tirols Oberwerber Josef Magreiter, dessen Geldgeber das Land, der Tourismusförderungsfonds und die Kammer sind, profitiert von einem Kunststück der letzten Jahre: Das heilige Land hat seine Tourismusverbände von 254 auf 36 reduziert, wobei das Ötztal, Paznaun-Ischgl und das Zillertal die finanzkräftigsten Platzhirsche sind. Die Tiroler, im Vorjahr mit 40 Millionen Nächtigungen Österreich-Champion, haben das Glück, dass ihre Regionalverbände, Hoteliers und Seilbahnunternehmen kräftig um Gäste werben.

Anderen geht es nicht so gut: Die Kärnten Werbung musste 2010 das operative Marketingbudget um 24 Prozent kürzen und konnte daher fünf Märkte, darunter Russland und Großbritannien, nicht mehr bearbeiten. Deshalb hoffen alle Landesorganisationen auf ein versöhnliches Ende des Machtkampfes. NÖ-Werber Christoph Madl etwa ist "sehr optimistisch, dass noch eine gute Lösung möglich ist".