Alleingang von Hietzing, Währing und Döbling bei Ausweitung der Kurzparkzone ist große Ausnahme.
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Wien. Sie entscheiden über Spielplätze, die Sanierung von Schulen und die Errichtung öffentlicher Toiletten. Auch, wenn sich die Kompetenzen der Bezirke auf bestimmte Aufgabenbereiche beschränken, in die Stadtpolitik mischen sie sich trotzdem.
Bei der Ausweitung der Parkpickerlzone setzten sich die Bezirksvorsteher des 13., 18. und 19. Bezirks sogar gegen die Stadtregierung durch. Nach wie vor ist es in Währing möglich, sein Auto gratis zu parken. Mitentscheidungsrechte hatten die Bezirke auch beim Umbau der Mariahilfer Straße. Laut dem Politologen Peter Filzmaier wäre das Großprojekt ohne die Zustimmung der beiden anliegenden Bezirke Mariahilf und Neubau gar nicht realisiert worden.
Die Bezirksorgane, also die Bezirksvertretungen mit den Bezirksvorstehern, werden in Wien bei regionalen Entscheidungen mit eingebunden. Welche Macht haben die Bezirke tatsächlich? "Im Prinzip haben die Bezirke keine sehr starken Kompetenzen", sagt der Politologe Hubert Sickinger, der das Buch "Bezirkspolitik in Wien" veröffentlichte. "Realpolitisch hat die Stimme der Bezirke jedoch durchaus Gewicht."
Ob eine Pflichtschule saniert wird und der Kindergarten neues Spielzeug bekommt, wo ein neuer Park entsteht und wie der dazugehörige Spielplatz gestaltet wird, darüber entscheidet der Bezirk. Verantwortlich ist er laut Stadtverfassung unter anderem auch für das Errichten öffentlicher Toiletten und von Kinderfreibädern, für die Instandhaltung von Märkten und für den Betrieb von Pensionistenklubs. Der Bezirk entscheidet, ob und wie viel des Bezirksbudgets für diese Aufgaben eingesetzt wird. "Sie können nicht über Großprojekte wie einen Stadionbau entscheiden, aber vom Spielplatz bis zum Kreisverkehr sehr wohl", sagt Filzmaier. "Das sind wichtige Kompetenzen, bei denen die Stadtregierung nicht an ihnen vorbeikommt. Jedes für sich ist kein Riesenprojekt, aber in Summe bestimmen sie das tägliche Leben."
Neben den Eigenzuständigkeiten haben die Bezirke weitere abgestufte Rechte, nämlich Mitwirkungs- sowie Anhörungs- und Informationsrechte gegenüber der Gemeinde. Letztere treffen beispielsweise auf die Errichtung von Schulen, Wohnhäusern, Krankenhäusern oder Straßenbauvorhaben zu.
Schaffung von Doppelstrukturen mit Blockadegefahr
Die Bezirkspolitiker sind wichtige Bindeglieder zwischen der Stadtpolitik und dem Bürger, sie kennen die lokalen Voraussetzungen und die Anliegen der Bewohner. Über die Bezirksvertretungen werden lokale Probleme gebündelt und sie entlasten den Gemeinderat. "So muss sich die Stadtpolitik nicht mit klappernden Kanaldeckeln beschäftigen. Eine Stadt wie Wien rein zentralistisch zu regieren, wäre kaum vorstellbar", sagt Sickinger.
Auch Filzmaier sagt: "Große Einheiten mit zu viel Zentralismus würden die Distanz vergrößern. Das Dilemma ist jedoch, dass gewisse Doppelstrukturen geschaffen werden - mit einer Blockadegefahr." Durch die Dezentralisierung wird eine kohärente Politik für die Stadt schwieriger. Sie erleichtert die Arbeit für einen gestaltungswilligen Stadtrat nicht unbedingt.
Vor allem die Bezirksvorsteher sind in die Entscheidungen der Stadt eingebunden. Ihre Stimmen werden gehört. Gerade im Verkehrsbereich sind die Bezirke relevant, wie eben auch die Ausweitung des Parkpickerls zeigte. "In so einer Frage fährt man nicht drüber über den Bezirk", sagt Sickinger. Absurd werde es etwa, wenn ein Radweg plötzlich an einer Bezirksgrenze endet. Bei Hauptrouten kann sich die Stadt aber über die Bezirke hinwegsetzen, wie das Beispiel Wasnergasse im 20. Bezirk zuletzt zeigte. Die "Wiener Zeitung" hat berichtet. Die Gestaltungsspielräume der Bezirksvorsteher ergeben sich also nicht nur aus den tatsächlichen formalen Kompetenzen. Der Einfluss der Bezirksvorsteher geschieht vor allem auch über die Gemeinderatsklubs. So haben die Wünsche größerer Bezirke bzw. deren Bezirksvorsteher innerhalb der Parteien mehr Gewicht als kleine Innenstadtbezirke.
Eine Bezirksvorsteherin wie die streitbare Ursula Stenzel, die sich in ihren Vorstellungen für die Innere Stadt oft gegen ihre Partei, die Stadt-ÖVP, stellte und sich etwa mit einer Anrainerbefragung gegen den Bau einer Tiefgarage ein Match mit dem Bürgermeister lieferte, sei jedoch "die absolute Ausnahme", meint Sickinger.
Die ersten Schritte zur Dezentralisierung wurden in den 1970er Jahren gesetzt. Die Bezirke wurden vermehrt in Verwaltungsprozesse der Stadt eingebunden. Die Bezirksvertretungen wurden aufgestockt und den Bezirksorganen wurden mehr Rechte zuerkannt. Im Jahr 1988 erhielten die 23 Bezirke nach einer weitreichenden Änderung der Wiener Stadtverfassung schließlich ein eigenes Budget für die Erfüllung der Aufgaben, die ihnen von Gemeinderat und Bürgermeister übertragen worden waren. 1998 wurde diese Dezentralisierung ausgeweitet und die Bezirksbudgets nahezu verdoppelt.
Dass diese Teil des Gemeindebudgets sind und daran nur einen sehr geringen Anteil im einstelligen Prozentbereich ausmachen, schränkt die Macht der Bezirke ein. Sie dürfen Ausgaben zudem nur bis zu gewissen Grenzen bewilligen und müssen daher meist über eine Beteiligung der Stadt verhandeln. "Die Bezirksvorsteher sind aufgrund der begrenzten Bezirksbudgets auch auf den Goodwill der Gemeinde angewiesen", sagt Sickinger.
In Frage gestellt wird die Dezentralisierung in gewissen Bereichen, etwa im Verkehr, nicht nur von der zuständigen Stadträtin. Filzmaier regt einen umfassenden Diskurs über die Kompetenzverteilung an. "Im Rahmen der Wahlrechtsreform hätte man auch grundsätzlich über eine Neuordnung diskutieren können", meint der Politologe. Dass die Bezirke auf Kompetenzen verzichten, ist jedoch schwer vorstellbar. Ihr Fleckerlteppich aus Aufgaben ergibt eine große Alltagsmacht.