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Machtloser Mann bleibt am Ruder

Von Michael Schmölzer aus Tschechien

Europaarchiv

Tschechiens nahe Zukunft ist ungewiss. | Sozialdemokraten drängen nicht auf baldige Neuwahlen. | Prag. Der Vorsitzende des tschechischen Parlaments, Miroslav Vlcek, war soeben bei Vaclav Klaus, als er sich den Fragen österreichischer Journalisten stellt. Der Sozialdemokrat hatte nämlich die aus seiner Sicht erfreuliche Pflicht, das Staatsoberhaupt davon zu unterrichten, dass die vom Konservativen Mirek Topolanek geführte Regierung nicht mehr das Vertrauen des Abgeordentenhauses genießt. "Der Staatspräsident kann nun die in der Verfassung vorgesehenen Schritte unternehmen", sagt Vlcek.


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Doch wie diese genau aussehen werden, ist ungewiss. Klaus, der stur seine euroskeptische Haltung pflegt, hält jedenfalls alle Fäden in der Hand. Ein Zustand, den der machtbewusste Mann im Hradschin ausgiebig genießen dürfte. Er kann jetzt einen Politiker seiner Wahl mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragen.

Dass er das rasch tun wird, ist aber eher unwahrscheinlich. Denn die tschechische Verfassung setzt dem Staatsoberhaupt in dieser Frage kein Zeitlimit - eine unbefriedigende Verfassungslücke, wie auch Vlcek meint. Ziemlich sicher ist, dass Klaus seinen gestürzten Ministerpräsidenten mit Hinblick auf seine derzeitige Funktion als Ratspräsident die kommenden drei Monate im Amt belassen wird.

Zwar ist die Feindschaft, die Klaus gegenüber Topolanek pflegt, offensichtlich. Doch mit einem derartigen Schritt würde Klaus die ohnehin schon geschwächte Position des tschechischen Ministerpräsidenten auch aus internationaler Sicht weiter abwerten. Und das ist selbst aus der Sicht des EU-kritischen Präsidenten nicht wünschenswert.

Topolaneks Partei ODS führt noch in Umfragen

Die Sozialdemokraten, die maßgeblich am Sturz Topolaneks beteiligt waren, haben es indes mit Neuwahlen nicht eilig. Nicht nur, dass diese nicht so einfach anzusetzen sind. In allen Umfragen führt die ODS, die Partei des eben gestürzten Premierministers. Ein Bonus, den, so politische Experten, Topolanek der massiven medialen Präsenz verdankt, die er derzeit als EU-Ratspräsident genießt.

Jiri Paroubek, Parteichef der Sozialdemokraten, will deshalb vorerst einmal eine Expertenregierung installiert wissen und das Volk erst dann zu den Urnen rufen, wenn der EU-Glanz von Topolanek abgefallen ist.