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Machtmissbrauch im Gesundheitssystem

Von Ernest G. Pichlbauer

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Dr. Ernest G. Pichlbauer ist unabhängiger Gesundheitsökonom und Publizist.

Der Kampf, wer in Sachen Gesundheit alles finanziert, ist ausgebrochen - um in die Organisation einzugreifen und seine Macht auszudehnen.


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Chronisch krank sind sie, die beiden Burschen, die letzthin in einer ORF-Sendung zu sehen waren, und ein Paradebeispiel für die Systemfehler. Die beiden brauchen, damit die Folgen ihrer genetischen Krankheit das Leben nicht in Unerträglichkeit verwandeln, regelmäßig Physiotherapie. Doch wer bezahlt diese?

Klar ist, beide sind Pflegefälle und es besteht, wie bei allen chronischen Krankheiten, keine Chance auf Heilung, sondern nur auf Linderung. Und weil das so ist, leben die beiden Jugendlichen zwischen den Welten.

Wenn sie zuhause wundliegen oder wegen fehlender Bewegung Lungenentzündungen bekommen, ja, dann erhalten sie ihre (dann viel teureren) Therapien von der Krankenkasse. Durch regelmäßige Physiotherapie Wundliegen und Pneumonie aber zu vermeiden, das ist nicht Sache der Kassen. Zwar müssen diese Therapien bezahlen, wenn die Verschlechterung einer Krankheit vermieden werden kann - aber wie ist das bei unheilbaren Krankheiten? In diesem Fall kommt das Argument, dass die Länder zahlen müssen - weil es ja Pflegefälle sind. Länder allerdings sehen ihre Aufgabe darin, Pflegeheime zu finanzieren. Kosten für Physiotherapie zu übernehmen, um eine Einweisung in ein Heim zu vermeiden, also präventiv tätig zu werden, das steht nicht auf der Aufgabenliste der Länder; dafür ist jemand anders zuständig, oder?

Es ist ein zynisches Spiel, das hinter all dem steht. Es ist der Versuch, möglichst dem jeweils anderen Kosten zu überlassen. Das geht nicht nur im Bereich Pflege und Krankenversorgung so, auch bei der Prävention, der Rehabilitation und der Palliativversorgung ist es das gleiche - und auch überall dort, wo die Finanzierung jeweils jemand anderem gehört. Und am Ende ist das alles nicht nur sauteuer, sondern auch - und vor allem - unmenschlich.

Deswegen, und wegen nichts anderem, braucht man die Finanzierung aus einer Hand. Das Spiel der betriebswirtschaftlichen Optimierung der einzelnen Finanziers, die noch dazu allesamt Institutionen mit Pflichtmitgliedschaft sind - niemand darf aus diesem Spiel aussteigen und dank Selbstverwaltung in vielen Fällen nicht einmal die Entscheidungsträger abwählen - auf dem Rücken der Patienten und zu Lasten der Steuer- und Beitragszahler muss beendet werden.

Aber aus der Finanzierung aus einer Hand eine operative Aufgabe abzuleiten, das ist skurril. Offenbar verstehen das manche so. Da wird ernsthaft darüber nachgedacht, dass die Umstellung auf so eine Finanzierung dazu führen müsse, mit zentralen Büros Krankenhäuser, Ordinationen etc. zu führen.

Das ist aber nicht der Sinn der Finanzierung aus einer Hand. Ganz im Gegenteil: Um umsetzbar zu sein, muss die Organisation so dezentral wie möglich sein. Und dort soll eine demokratisch legitimierte Hand für die Bevölkerung in überschaubaren Versorgungsgebieten alle regional benötigten präventiven, diagnostischen, therapeutischen, rehabilitativen, pflegenden oder palliativen Dienstleistungen, Aktivitäten oder Beratungen, die sich mit Krankheiten, Symptomen oder Verhaltenstörungen, die ein Individuum aufweist, befassen, einkaufen. Von Anbietern, die im Wettbewerb stehen!

Die Finanzierung aus einer Hand ist kein Garant aber liefert gute Voraussetzungen, eine integrierte Versorgung aufzubauen, in der Patienten zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle mit der richtigen Leistung versorgt werden. Sie ist kein auch nur irgendwie geartetes Argument zentralistischer Machtgelüste.