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Spannende Vertrauensfrage. | Sozialisten haben nur eine knappe Mehrheit. | Athen. Griechische Kommentatoren rätseln. War es taktisches Kalkül oder ernste Sorge, die Giorgos Papandreou am Mittwochabend dazu bewog, seinen Rücktritt anzubieten? Fakt ist, dass das Angebot des griechischen Ministerpräsidenten an die Opposition, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden, umgehend beim Führer der Nea Dimokratia (ND), Adonis Samaras, auf Ablehnung stieß.
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Denn die Vorbedingung für einen solchen Schritt, die der Konservative Samaras erfüllt haben wollte, war für Pasok-Führer Papandreou schon deshalb unannehmbar, weil sich seine europäischen Partner nie darauf eingelassen hätten: eine Neuverhandlung der getroffenen Kreditvereinbarungen und damit des Sparpakets sowie Steuersenkungen.
Papandreou sah somit an seinem gestrigen 59. Geburtstag nur eine Regierungsumbildung als Ausweg, um vielleicht doch noch über die Runden zu kommen. Vor allem Finanzminister Giorgos Papakonstantinou war als Architekt des Sparpakets nicht nur bei den "Empörten Bürgern" vom Syntagma-Platz, sondern auch innerhalb der sozialdemokratischen Partei ins Schussfeld der Kritik geraten. Ob Papandreou mit der neuen Regierung und einer Vertrauensabstimmung, die bis zum Dienstag erfolgen soll, die Reihen seiner Pasok wieder schließen kann, erscheint aber ungewiss. Am Donnerstag legten wieder zwei Abgeordnete seiner Partei ihre Mandate zurück, darunter ein früherer Vize-Finanzminister. Insgesamt verfügen die Sozialisten nur noch über fünf Mandate, die ihre absolute Mehrheit im Parlament sichern. Papandreou rief am Donnerstag seine Abgeordneten zu einer Krisensitzung zusammen.
Hilfe von rechts?
Hilfe von unerwarteter Seite könnte den Sozialisten aus dem rechten Lager zuteil werden. Zum einen weiß man nicht, wie sich die liberale "Demokratische Allianz" von Ex-Außenministerin Dora Bakogianni verhalten wird, die im Prinzip den Reformkurs der Regierung unterstützt. Nach ihrer Abspaltung von der ND Ende 2010 verfügt sie über fünf Abgeordnete. Die nationalistisch-konservative "Orthodoxe Volkszusammenkunft" (Laos) wiederum, die mit 15 Sitzen im Parlament vertreten ist, kann sich eine Regierungszusammenarbeit mit der Pasok vorstellen.
Sollte es zu Neuwahlen kommen, die die ND offenbar anstrebt, dürfte jede der beiden großen Parteien auf Partner angewiesen sein. Denn die Umfragen sehen zwar die Nea Dimokratia mit 31 Prozent vor der Pasok mit 27 Prozent, beide könnten damit aber nicht allein regieren. Damit stünde eventuell sogar eine große Koalition im Raum. Deren Nachteil: 75 Prozent der Griechen vertrauen ihren beiden großen Parteien nicht mehr.
Dabei haben diese das Land regiert, seit es 1974 nach Jahren der Monarchie und einer Militärdiktatur als Republik entstanden ist. Die Politik dominierten zwei Familien. Andreas Papandreou, Sohn des Pasok-Gründers Georgios Papandreou, war von 1981 bis 1989 und von 1993 bis 1996 Ministerpräsident. Sein Sohn Giorgos führt seit 2009 die Regierung. Dessen ND-Vorgänger Kostas Karamanlis wiederum ist ein Neffe von Konstantinos Karamanlis, der bereits in der Monarchie von 1955 bis 1963 Premier war. Er leitete dann die erste Regierung nach dem Ende der Obristendiktatur 1974. Er hob auch das Verbot der Kommunistischen Partei auf.
Keine Hilfe von links
Diese war nach dem blutigen Bürgerkrieg der Nachkriegszeit verboten worden. Die Kommunisten, die einst die Hauptlast des Partisanenkampfes gegen die Nazi-Besetzung trugen und im Kalten Krieg mit Hilfe der USA und Großbritanniens besiegt worden waren, sind nach ihrer Wiederzulassung immer als drittstärkste Kraft im Parlament vertreten. Sie verstehen sich noch immer als marxistisch-leninistische Partei, im Gegensatz zur der aus einer Abspaltung entstandenen Syriza, die sich als weniger dogmatische Wahlplattform der radikalen Linken versteht und etliche Kleinparteien der zersplitterten linken Szene umfasst. Sie sitzt seit 2004 gleichfalls im Parlament.
Von ihnen hat Papandreou keine Hilfe zu erwarten, sind sie doch strikt gegen die Sparmaßnahmen auf dem Rücken der Bürger. Die Gewerkschaften, von denen viele von den Linken dominiert sind, sind gleichfalls gegen den Sparkurs, ebenso wie große Teile der Bevölkerung. Selbst wenn Papandreou die nächsten Tage überstehen sollte, ist eine Lösung der verfahrenen Lage nicht in Sicht.