Länder wie China, Indien, aber auch "mittlere Mächte" wie Brasilien und die Türkei strotzen vor Selbstbewusstsein. Die USA sind allein kraft ihrer militärischen Stärke immer vorne dabei. Und Europa? Ergeht sich in weinerlichem Selbstmitleid. Die Schuldenkrise! Furchtbar.
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Nun, wie es Romano Prodi am Montag deutlich gesagt hat: Die USA haben ein Budgetdefizit von zehn Prozent, Großbritannien eines von zwölf Prozent, in der Eurozone liegt es insgesamt bei 6,9 Prozent.
Die wirtschaftliche Basis stimmt (noch), die 500 Millionen Europäer sind der kaufkräftigste Markt der Welt. Und trotz horrender Arbeitslosenzahlen (vor allem in Südeuropa) ist die soziale Stabilität (noch) nicht getestet worden.
All diese Fakten werden derzeit unter den Tisch gekehrt. Europa ist pfui. Politiker sagen bei solchen Gelegenheiten gerne, dass es ein Jammer ist, dass es keine europaweiten Medien gibt, die europäische Ideen länderübergreifend der Bevölkerung nahe bringen. Medien verweisen dabei auf die unterschiedlichen Sprachen in Europa und reichen den Ball ihrerseits an die Politiker weiter: Da es keine europäischen Autoritäten gibt, zerfleddern wesentliche Themen im nationalen und bald (siehe Belgien) regionalen Wirrwarr. Keine ordnende Hand, nicht einmal eine gemeinsame Richtung.
Wahr ist vermutlich beides, und dies ist auch eine gefährliche Mischung für den "alten Kontinent". In den EU-Gremien in Brüssel ist Industriepolitik zum Fremdwort geworden, doch genau diese Industrie ist die Basis des europäischen Wohlstandes. Nicht die Finanzindustrie ist es, oder andere - weniger gefährliche - Dienstleistungen. Nein, die Industrie und das produzierende Gewerbe haben Europa dorthin gebracht, wo es heute steht.
Einer Ent-Industrialisierung à la Großbritannien zuzuschauen heißt, sehenden Auges den Wohlstand Europas zu opfern. Das sollten die EU-Politiker und die Regierungschefs stärker auf dem Radar haben. Ob eine Finanztransaktionssteuer national, europäisch oder global sinnvoll ist, mögen Experten beantworten. Europa braucht eine stimmige Wirtschaftspolitik. Die Pläne der Kommission, die bis 2020 reichen, sind es nicht. Erst wenn es wieder eine gemeinsame Richtung gibt, dann wird es vielleicht auch europäische Medien geben.