Diese Woche startet der Parteitag - der wichtigste Kongress für Chinas KP, auf dem sie Funktionen neu verteilt.
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Generalsekretär und Staatspräsident Xi Jinping war sehr beschäftigt in den vergangenen drei Monaten. Neben Staatsbesuchen in Zentralasien und Politbüro-Sitzungen hat er auch noch zehn Bücher in Vorbereitung auf den 20. Nationalen Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas veröffentlicht.
Am 16. Oktober beginnt ein einwöchiges Konklave, das die Weichen für fünf weitere Jahre in der chinesischen Politik stellen wird. Der Kongress einer Partei mit 90 Millionen Mitgliedern und 7,5 Millionen Vollzeitkadern wird die wichtigsten Funktionen in der Partei neu bestimmen. Es stehen große Veränderung in Zhongnaghai, dem Regierungsviertel in Peking bevor - wobei Staats- und Parteichef Xi Jinping - entgegen allen Gepflogenheiten seit dem Abgang von Mao Zedong - eine dritte Amtszeit erhalten wird.
Es wird ein riesiges Treffen werden: Das Vorbereitungsgremium für den Nationalen Parteitag, das im November des Vorjahres seine Arbeit aufgenommen hatte, hat mittlerweile die Liste mit allen 2.296 Personen veröffentlicht, die zum Parteitag delegiert sind. Die Delegierten wurden aus 40 verschiedenen Wahlbereichen von Armee, Wissenschaft, regionalen Parteiorganisationen bis hin zu KP-Mitgliedern aus Taiwan - die Volksrepublik sieht die demokratisch regierte Insel als abtrünnige Provinz an - ausgewählt.
Viele neue Köpfe rücken in die Gremien
Während des Kongresses werden diese Delegierten das neue Zentralkomitee (ZK) wählen. Für den 20. Parteitag wird dieses 376 Mitglieder umfassen. Am Tag nach seiner Wahl hält das ZK gleich die erste Plenarsitzung des Parteitages ab und wählt das neue, wahrscheinlich 25-köpfige Politbüro, den Ständigen Ausschuss des Politbüros und andere wichtige Gremien wie die Zentrale Militärkommission.
Mit dem 20. Parteitag beginnt auch ein neuer Zyklus an Plenarsitzungen, die bis zum 21. Parteitag im Jahr 2027 vorgeplant sind: Nach und nach arbeitet Chinas Führung dabei die großen Themen ab, setzt also Weichenstellungen in Wirtschaft und Politik, gibt den Anstoß zu Reformen in der Armee oder bestimmt ideologische Leitlinien. Besondere Aufmerksamkeit wird, wohl auch international, das fünfte Plenum erhalten: Im März 2026 wird der 15. Fünfjahresplan für die Periode bis 2030 veröffentlicht.
Neu bestimmt wird auf dem nun anstehenden Parteitag auch der Ministerpräsident: Der seit 2013 amtierende Premierminister Li Keqiang darf nämlich seine Amtszeit laut Verfassung nicht mehr verlängern. Offen ist, ob er überhaupt ein weiteres Spitzenamt erhalten wird. Li hat nicht nur wirtschaftspolitisch eine zu Xi abweichende Meinung, er hat auch keine politische Basis in einer regionalen Parteiorganisation. Eine Tatsache, die ihn bei Führungskadern unbeliebt macht.
Bei der Bestimmung seines Nachfolgers steht der Generalsekretär vor einigen Herausforderungen: Historisch betrachtet wurden alle Premierminister zuvor in das Amt des Vizepremiers befördert. Das erweist sich aktuell als problematisch, denn der einzige der derzeit amtierenden Vizepremiers, der nicht ausscheidet, ist der 2018 gewählte Hu Chunhua, der allerdings als Protegé von Hu Jintao, dem Vorgänger von Xi, gilt. Der qualifizierteste Kandidat wäre Wang Yang, der Vorsitzende der Politischen Konsultativkonferenz, ein wichtiges Beratungsgremium. Allerdings wurde er nicht zum Vizepremier befördert und ihm wird ebenfalls eine Nähe zu Hu Jintao attestiert.
Entscheidend wird sein, ob Xi die seit dem Vorsitz von Jiang Zemin bestehende Tradition des willkürlichen Hinauf- und Hinabsetzen von Altersgrenzen fortsetzen wird, um unliebsame Wettbewerber aus dem Rennen zu werfen. Wenn Xi zum Beispiel die Altersgrenze nur um ein Jahr senkt, müsste Wang Yang ausscheiden, und er könnte einen getreuen Gefolgsmann für diese Position einsetzen.
Das Amt des Premierministers ist zwar eine Staatsfunktion und wird daher formal erst am Nationalen Volkskongress im März gewählt, der Premier ist aber auch stets Mitglied im Ständigen Ausschuss des Politbüros. Daher wird sein Name nach dieser Woche inoffiziell bekannt sein.
Langjährige Schwergewichte verabschieden sich
Aus dem Politbüro werden elf der 25 Mitglieder ausscheiden. Darunter politische Schwergewichte wie Wang Huning, Leiter der Politikforschung des ZK von 2002 bis 2020. Er war Chefberater aller Generalsekretäre seit Jiang Zemin und seit 2017 Mitglied im Ständigen Ausschuss.
Vor allem für die internationalen Kapitalmärkte ist die Frage nach dem altersbedingten Ausscheiden von Xis wichtigstem Wirtschaftsberater und Mastermind hinter dem aktuellen Fünfjahresplan, Liu He, besonders relevant. Als seine logischen Nachfolger kämen Guo Shuqing von der Bankenregulierungsbehörde oder Yi Gang, Chef der Zentralbank in Frage.
Auch Yang Jiechi, der sowohl Außenminister als auch Botschafter in den USA war und ein guter Freund der Familie Bush ist, wird das Politbüro verlassen. Als Leiter des Büros für Internationale Politik des ZK war er der tatsächliche Gestalter von Chinas Außenpolitik. Niemand scheint aktuell in der Lage zu sein, Yangs Position auszufüllen. Gefunden wurde aber bereits mit Shen Yiqin die Frau, die die bisher einzige Frau im Politbüro ersetzen wird.
Ganz entscheidend im Machtgefüge der Partei ist auch die Zentrale Militärkommission. Es handelt sich dabei um Chinas verteidigungspolitisches Macht- und Schaltzentrum und ein Organ des Zentralkomitees unter Vorsitz von Xi Jinping.
Vier des insgesamt siebenköpfigen Gremiums werden aus Altersgründen ausscheiden. Darunter befinden sich Verteidigungsminister Wei Fenghe und die beiden einzigen Kader in der Kommission mit Kriegserfahrung: die Veteranen des chinesisch-vietnamesischen Krieges von 1979, Zhang Youxia und Li Zuocheng.
Ersetzt werden sie von Chang Dingqiu, dem Chef der Luftwaffe und jüngsten General der gesamten Armee, sowie von Zhong Shaojun. Er war bisher Stabschef von Xi und ist ein persönlicher Vertrauter des Generalsekretärs. Nur zwei Generäle werden ihre Position behalten: Miao Hua, seit 2017 Chef der Politischen Abteilung, und der Leiter der Disziplinarkommission, Zhang Shengmin. Xi wird einen zivilen Vize-Vorsitzenden ernennen, eine Position, die er selbst von 2010 bis 2012 innehatte.
Vertraute von Xi kommen in den Ständigen Ausschuss
Auch wie sich der Ständige Ausschuss des 20. Parteitages zusammensetzten wird, zeichnet sich schon ab - vorausgesetzt, die Altersgrenzen werden nicht verändert und Generalsekretär Xi kann seine Vorschläge durch die Gremien bringen.
Wenn dem so ist, wird der Ausschuss mit Leuten besetzt, die schon deutliche Spuren hinterlassen haben: Zum Beispiel mit Huang Kunmin, der bisher Leiter der Propagandaabteilung des ZK war. Chen Min’er wiederum gilt als engster Vertrauter von Xi. Auch Li Qiang wird ein Naheverhältnis zu Xi nachgesagt. Er war bisher Parteisekretär in Shanghai, musste allerdings viel interne Kritik wegen seiner Lockdown-Politik einstecken. Zhao Leji, der bisher Sekretär der Disziplin-Kontrollkommission des ZK war, hat wiederum Xis Antikorruptions-Kampagne umgesetzt.
Sollte Xi seine Präferenzen nicht vollständig durchsetzen können, wären der bisherige Premier Li Keqiang oder auch Vizepremier Hu Chunhua für Positionen prädestiniert. Vorausgesetzt, es würde bei sieben Mitgliedern bleiben. Die Zahl ist nicht festgelegt und variierte seit den 1980er Jahren zwischen fünf und neun Mitgliedern. Auf alle Fälle werden auch diese Postenbesetzungen einen Eindruck davon verschaffen, wir groß die Machtfülle von Xi Jinping ist.