Medwedew als Präsident vereidigt. | Österreich war durch seinen Botschafter vertreten. | Moskau. Am Dienstag Nachmittag trat ein Handwerker an die Tür des Arbeitszimmers des russischen Präsidenten im Kreml und schraubte die Plakette mit der Aufschrift "Wladimir Wladimirowitsch Putin" ab. Die neue mit dem Namen Dmitri Medwedews lag schon seit Tagen bereit. Damit war die feierliche Amtseinsetzung des neuen Präsidenten beendet.
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Beim ersten Gongschlag der Kremluhr am Erlöserturm hatte Medwedew zuvor den Georgs-Saal betreten. Er schritt durch die Zimmerflucht des Großen Kremlpalastes und erreichte Punkt 12.00 Uhr Moskauer Zeit das Podium im Andreas-Saal. Dort forderte ihn der Vorsitzende des Verfassungsgerichts Waleri Sorkin auf, den Amtseid zu leisten. Der gewählte Präsident legte die Hand auf die in Chagrinleder gebundene Landesverfassung und sprach die vorgeschriebene Formel: Er schwöre, Menschen- und Bürgerrechte zu respektieren sowie Russlands Souveränität und Unabhängigkeit, Sicherheit und Integrität zu verteidigen. Zu Klängen der Staatshymne wurde über der Residenz die Präsidentenstandarte gehisst. Der neue Präsident hielt seine Antrittsrede.
Der Festakt wurde vom zentralen russischen Fernsehen landesweit übertragen. Unten an der Moskwa wurden zu Medwedews Ehren 30 Artilleriesalven abgefeuert. 2400 geladene Gäste verfolgten die Zeremonie zur Amtseinführung hautnah mit. Österreich war durch Botschafter Martin Vukovich vertreten, den Missionschef bei der Russischen Föderation.
Trotz anderslautender offizieller Versicherungen gab es mindestens einen Unterschied zu Putins Amtseinsetzung im Mai 2004. Putin betrat den Andreas-Saal nicht zusammen mit anderen Gästen, sondern durch die sogenannte Rote Pforte und war so schon vor Medwedew da. Die offizielle Begründung, er sei schließlich auch ein Teilnehmer der Zeremonie und benutze deshalb einen Sondereingang, wirkte unglaubwürdig. Bei Putins erster Amtseinsetzung vor acht Jahren hatte sein Vorgänger Boris Jelzin den allgemeinen Eingang benutzt.
In Putins gestrigem Auftritt sehen politische Beobachter ein weiteres Zeichen für die "Doppelköpfigkeit" der neuen Landesführung. Noch vor Medwedews Antrittsrede trat Putin aufs Podium. Dort mahnte er die Kontinuität seines bisherigen Kurses an.
Nach dem offiziellen Festakt traten Putin und Medwedew gemeinsam ins Freie, um dem Vorbeimarsch einer Ehrenformation des Kremlregiments auf dem Kathedralenplatz beizuwohnen. Die Tür war breit genug für beide, so dass keiner dem anderen den Vortritt lassen musste. Die neue Konstruktion der russischen Staatsmacht wurde dadurch geradezu plastisch deutlich.
Putin eine Nachtohne Staatsamt
In dem Moment, als Putin das Präsidentenamt niederlegte, wurde er automatisch Chef der Staatspartei Einiges Russland. Nur eine Nacht soll er ohne ein Staatsamt bleiben. Heute tritt die Staatsduma zu einer Sondersitzung zusammen, um ihn als neuen Premier zu bestätigen. In Verbindung mit dem Parteivorsitz wird seine reale Machtfülle der des Präsidenten durchaus ebenbürtig sein.
Mit seinem Rücktritt vom Präsidentenposten habe Putin zwar den Buchstaben der Verfassung befolgt, mit seinem Verbleib im russischen Machtgefüge verhöhne er allerdings den Geist der Verfassung, kritisierte die Opposition. Man könne nicht davon sprechen, dass Medwedew im März demokratisch gewählt worden sei. Die oppositionelle Bewegung Anderes Russland hatte für Dienstagabend einen Protestmarsch unter den Parole "Falscher Demetrius raus aus dem Kreml" und "Nein zu Selbstherrschaft und Thronfolge" angekündigt. Moskauer Behörden verboten den Straßenzug und boten den Veranstaltern keinen Ausweichplatz an, was sie laut Gesetz hätten tun müssen. Stattdessen drohten sie mit harten polizeilichen Maßnahmen. Im letzten Moment sagte Anderes Russland die Veranstaltung ab, "damit Menschen nicht zu Schaden kommen". Trotzdem wurden diejenigen, die sich an der Sammelstelle eingefunden hatten, darunter mehrere Parlamentsabgeordnete und Journalisten, festgenommen. **
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