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Machtwort zur Gesundheitsplanung

Von Katharina Wilding und Thomas Zivny

Recht

Höchstgericht bestätigt, dass das aktuelle, bundesländerübergreifende System im Wesentlichen verfassungskonform ist.


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In zwei vor Kurzem veröffentlichten Erkenntnissen vom 30. Juni 2022 hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) ein Machtwort zur österreichischen Gesundheitsplanung gesprochen (Leitentscheidung G 334-341/2021-29, V 265/2021-29 sowie taggleich zur Regionale-Strukturplan-Gesundheit-Wien-Verordnung V 419/2020-37 und andere). Entgegen den Erwartungen der überwiegenden juristischen Literatur wurde das aktuelle System der bundesländerübergreifenden Gesundheitsplanung im Wesentlichen als verfassungskonform bestätigt. Dadurch erhalten potenziellen Anbieter mehr Planungs- und Rechtssicherheit.

Keine Krankenanstalt ohne Bedarf

In den Anlassfällen für die beiden VfGH-Entscheidungen ging es jeweils um eine Bewilligung für die Errichtung beziehungsweise die Erweiterung selbständiger Ambulatorien. Möchten Privatpersonen in Österreich eine Krankenanstalt errichten, darf dies in den meisten Fällen nämlich nur dann bewilligt werden, wenn ein entsprechender Bedarf besteht. Wichtigstes Kriterium dafür sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die Wartezeiten bei den bereits bestehenden Einrichtungen. Deren korrekte Ermittlung ist jedoch nicht nur zeitintensiv, sondern - wie zahlreiche Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs und auch des Europäischen Gerichtshofs zeigen - in der Praxis mit vielen Fallstricken verbunden.

Der Gesetzgeber hat hier vor einigen Jahren Abhilfe geschaffen, indem im Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten sowie in den Ausführungsgesetzen der Bundesländer festgelegt wurde, dass in jenen Fällen, in denen der Leistungsumfang der beantragten Krankenanstalt in einer Verordnung gemäß § 23 Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz (G-ZG) geregelt ist, hinsichtlich des Bedarfs nur die Übereinstimmung mit dieser Verordnung zu prüfen ist. Bei den Verordnungen gemäß § 23 G-ZG handelt es sich um Verordnungen, die Teile der Österreichischen Gesundheitsplanung für verbindlich erklären. Bis zu den beiden Entscheidungen des VfGH war jedoch strittig, ob diese rechtliche Konstruktion überhaupt zulässig ist.

Kompetenzrechtliche Herausforderung

Die Kompetenz für das Gesundheitswesen ist in Österreich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden sowie der Sozialversicherung geteilt. Den Rahmen für die Gesundheitsplanung bildet der Österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖSG), der Planungsaussagen für ausgewählte Bereiche der ambulanten und der akutstationären Versorgung, für die ambulante und stationäre Rehabilitation und für medizinisch-technische Großgeräte enthält. Er wird von der Bundes-Zielsteuerungskommission beschlossen, einem Organ der Bundesgesundheitsagentur, dem Vertreterinnen und Vertreter des Bundes, der Sozialversicherung und der Länder angehören. Auf Basis des ÖSG werden von den Ländern und den zuständigen Sozialversicherungsträgern Regionale Strukturpläne (RSG) vereinbart, welche unter anderem die Kapazitäten der ambulanten Versorgung festlegen.

Der Bundes-Zielsteuerungskommission beziehungsweise den einzelnen Landes-Zielsteuerungskommissionen obliegt es, Teile der Strukturplanung als verbindlich zu erklärend auszuweisen. Die Verordnung der Verbindlichkeit erfolgt anschließend durch die Gesundheitsplanungs GmbH, einer privatrechtlichen Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Gesellschafterkreis sich aus der Republik Österreich, dem Dachverband der Sozialversicherungsträger und den neun Ländern zusammensetzt. Auf diesem Weg wird die zwischen dem jeweiligen Bundesland und der Sozialversicherung abgestimmte Gesundheitsplanung für den Rechtsanwender verbindlich. Diese einigermaßen komplexe Struktur ist auf die geteilten Kompetenzen im Gesundheitsbereich zurückzuführen, stieß aber auf zahlreiche verfassungsrechtliche Bedenken, die der VfGH noch in seinem Einleitungsbeschluss vom 6. Oktober 2021 unterstrichen hatte.

Die integrative Planung ist (weitgehend) zulässig

In den beiden vor Kurzem veröffentlichten Erkenntnissen hat der VfGH das aktuelle System der Gesundheitsplanung im Wesentlichen als verfassungskonform bestätigt. Lediglich die (formal) fehlende Zustimmung der Länder zur Übertragung der Länderkompetenz an die Gesundheitsplanungs GmbH wurde festgestellt und dafür eine Frist zur Sanierung bis zum 31. Dezember 2023 gesetzt. Es ist davon auszugehen, dass die Einholung der Zustimmung und damit die verfassungsrechtlich korrekte Gestaltung der integrierten Gesundheitsplanung innerhalb dieses Zeitraums bewerkstelligt werden kann, zumal weder die Länder noch der Bund ein Interesse an einem planlosen Interregnum haben dürften.

Der VfGH hat sich in seiner Leitentscheidung umfassend mit der Ausgestaltung der Gesundheitsplanungs GmbH und der Erlassung der länderbezogenen Verordnungen auseinandergesetzt. Aus Platzgründen seien hier nur zwei Beispiele aus der knapp über 200 Seiten langen Leitentscheidung herausgegriffen:

Es wurde verfassungsrechtlich moniert, dass die Übertragung der Kompetenz zur "Verbindlichmachung" der RSG-Verordnungen an die Gesundheitsplanungs GmbH zu einer Aushöhlung der entsprechenden Kompetenz auf Landes- oder Bundesebene führt, da die Gesundheitsplanung GmbH Verordnungen erlassen kann, die sowohl Angelegenheiten des Vollziehungsbereichs des Bundes als auch Angelegenheiten des Vollziehungsbereichs der Länder regeln. Dies ist allerdings nach Auffassung des VfGH verfassungsrechtlich unbedenklich, da die Tätigkeit der Gesellschaft, soweit Angelegenheiten des Bundes betroffen sind, der Aufsicht und den Weisungen des Gesundheitsministers und, soweit Angelegenheiten der Länder betroffen sind, der Aufsicht und den Weisungen der jeweiligen Landesregierungen unterliegt. Darüber hinaus ist durch die gewählte Ausgestaltung sichergestellt, dass die Strukturpläne vom gemeinsamen politischen Willen des Bundes, der Länder und der Sozialversicherung getragen sind und jeder die Verbindlicherklärung von Planteilen für seinen jeweiligen Zuständigkeitsbereich verhindern kann.

Weitere verfassungsrechtliche Bedenken bestanden dahingehend, ob die Übertragung der (auch finanziellen) Planung für wesentliche Bereiche der staatlichen Daseinsvorsorge an einen privaten Rechtsträger (die Gesundheitsplanungs GmbH) zulässig ist. Nach ständiger Rechtsprechung des VfGH dürfen private Rechtsträger nur mit "vereinzelten Aufgaben" beliehen werden (z.B. VfSlg. 19.307/2022). Weiters dürfen keine Kernaufgaben des Staates an Beliehene übertragen werden. Im vorliegenden Fall hegte der VfGH diesbezüglich jedoch keine Bedenken: Denn angesichts der Breite der Angelegenheiten des Gesundheitswesens handle es sich bei der Verbindlicherklärung von Strukturplänen nur um eine vereinzelte Aufgabe. Hinzu komme, dass die Beleihung gegenständlich gerechtfertigt sei, da sie bei komplexer kompetenzrechtlicher Lage eine Gebietskörperschaften übergreifende Kooperation ermögliche.

Planungs- und Rechtssicherheit

Die beiden Entscheidungen des VfGH sind nicht nur kompetenzrechtlich höchst interessant, sondern bringen auch Privatpersonen, die ein Ambulatorium gründen möchten, mehr Planungs- und Rechtssicherheit. Denn anhand der Strukturpläne ist transparent ausgewiesen, in welchen Bereichen ein zusätzlicher Bedarf an Gesundheitsdienstleistungen besteht. Das System der überregionalen Gesundheitsplanung wurde damit in seinen Grundzügen bestätigt.