Umweltminister Hulot tritt zurück - zu unambitioniert sei die Regierung angesichts der Klimakatastrophe.
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Paris. Einen Mann wie ihn als Umweltminister in sein Kabinett zu holen, war einer der großen Coups von Emmanuel Macron zu Beginn seiner Amtszeit: Der beliebte Öko-Aktivist und frühere TV-Moderator Nicolas Hulot galt bereits lange davor als eine Art grünes Gewissen Frankreichs. Vergeblich hatten schon Macrons Vorgänger versucht, ihn anzuheuern. Dementsprechend hart ist nun der Schlag für den Präsidenten, ihn zu verlieren. Am Montag kündigte Hulot im Radiosender "France Inter" seinen Rücktritt an. "Ich will mich nicht mehr belügen", begründete der 63-Jährige die Entscheidung, die die schwerste seines Lebens sei. "Ich will mich nicht mehr der Illusion hingeben, dass meine Anwesenheit in der Regierung zeigt, dass wir auf der Höhe der Herausforderungen seien."
Während der Planet auf eine Klimakatastrophe zusteuere, begnüge sich die französische Regierung mit kleinen Schritten, klagte Hulot. Solange deren Mitglieder nicht an einem Strang ziehen und er seine Zeit mit Kämpfen gegen Landwirtschaftsminister Stéphane Travert verbringe, sei wenig zu erreichen - ob beim Kampf gegen Pestizide, gegen den Kohlendioxidausstoß oder für die Verringerung des Anteils von Atomenergie.
"Eine Anhäufung von Enttäuschungen"
So musste Hulot gegen seine eigene Überzeugung verkünden, dass die Regierung von dem 2015 in einem Gesetz zur Energiewende festgelegten Ziel absehe, den Nuklearstrom-Anteil bis 2025 von derzeit 75 auf 50 Prozent zu senken. Anders als versprochen wurde bislang kein einziger Reaktor geschlossen, auch nicht jene des ältesten Atomkraftwerkes Fessenheim am Oberrhein. Im Mai sagte Hulot bei der Vorstellung eines Plans für die Biodiversität, dieser sei "außer ein paar wenigen ohnehin allen egal".
Dass bei Regierungsberatungen über eine Jagdreform vor einigen Tagen zu seiner eigenen Überraschung ein Vertreter der Jägerlobby mit am Tisch saß, brachte das Fass zum Überlaufen. "Es ist eine Anhäufung von Enttäuschungen", so Hulot. "Ich glaube nicht mehr daran." Bereits mehrmals hatte er mit einem Rücktritt von der Spitze des Umweltministeriums gedroht.
Macrons Beliebtheitist stark gesunken
Trotzdem sollen gestern sogar seine Berater überrascht gewesen sein von seinem "Akt der Ehrlichkeit mit mir selbst". Vorgewarnt hatte er weder Regierungschef Édouard Philippe noch Präsident Macron, der sich seit Dienstag auf einer dreitägigen Reise in Dänemark und Finnland befindet und erklären ließ, Hulot könne "stolz auf seine Bilanz sein": "Wir bleiben völlig entschlossen, um in derselben Richtung und mit demselben Ehrgeiz weiter zu machen."
Hulots Nachfolger wurde noch nicht benannt; es wird spekuliert, ob dies demnächst im Rahmen einer umfangreicheren Regierungsumbildung erfolgt. Gerade wurden Vorwürfe gegen Kulturministerin Françoise Nyssen laut, sie habe als frühere Chefin des Verlags "Acte Sud" dessen Pariser Büros ohne Genehmigung und ohne Meldung an den Fiskus vergrößern lassen. Solche Affären fallen umso mehr auf Macron zurück, als er versprochen hatte, er werde Schluss machen mit den Skandalen und Mauscheleien, die die Kabinette seiner Vorgänger regelmäßig erschüttert hatten.
Auch entsprach das Profil Hulots, der kein Berufspolitiker ist, Macrons Versprechen, er werde in seinem Kabinett Vertreter der Zivilgesellschaft mit engagieren. Nun wurden die Grenzen dieses Vorgehens sichtbar.
So kommt dieser Rücktritt zu einer Unzeit für den Präsidenten, der geschwächt aus der Sommerpause geht. Diese war bestimmt vom Skandal um seinen früheren Sicherheitsberater Alexandre Benalla, der bei einer Veranstaltung am 1. Mai in Polizei-Montur grob gegen Demonstranten vorgegangen war, obwohl er kein Polizist ist.
Gerade kündigte Premier Philippe Einschnitte bei den Sozialleistungen an. Heute beginnen Verhandlungen mit den Sozialpartnern zum geplanten Umbau der Arbeitslosenversicherung, der für Widerstand sorgen dürfte. Das soziale Klima ist angespannt, Macrons Beliebtheit innerhalb eines Jahres stark gesunken.
Gegen die große Machtder Lobbys
Darüber hinaus entlarven Hulots Erfahrungen an der Spitze des Umweltministeriums die große Macht der Lobbys, an der bereits mehrere Vorgänger von ihm verzweifelten. Auch entsteht der Eindruck, dass Macron Fragen des Umweltschutzes und der Ökologie wohl weniger als Priorität behandelt als versprochen.
Nachdem US-Präsident Donald Trump angekündigt hatte, sein Land werde aus dem 2015 in Paris beschlossenen Klimaschutz-Abkommen aussteigen, ging ein Video Macrons durch die Internet-Welt, in der er Trumps Wahlspruch "Make Amerika great again" ("Machen wir Amerika wieder groß") auf den Planeten ummünzte: "Make our planet great again." Doch wie ernst ist es ihm wirklich mit dem Umwelt- und Klimaschutz? Er teile nicht unbedingt Hulots Ansichten,
sagte Republikaner-Chef Laurent Wauquiez. "Aber ich kann verstehen, dass er sich wie viele Franzosen betrogen fühlt durch starke Versprechen und dem Gefühl, dass sie nicht eingehalten wurden."
Grünen-Politiker Yannick Jadot nannte den Rücktritt die "Folge einer fehlenden ökologischen
Politik der Regierung". Auch ein Abgeordneter von Macrons Partei La République En Marche, Matthieu Orphelin, kommentierte, er müsse "wie ein Elektroschock wirken. Für jeden."