Frankreichs Präsident wandelt auf Italiens Budgetspuren: Die EU-Kommission will seine Milliarden-Versprechen im Frühjahr bewerten.
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Paris/Rom. Steuern senken und Haushaltsdefizit reduzieren, so lauteten zwei Kernversprechen von Emmanuel Macron, als Frankreichs Präsident Ende September 2017 seinen ersten Haushaltsentwurf präsentierte. Um 16 Milliarden Euro sollten die Staatsausgaben sinken, Bürger und Unternehmen Steuererleichterungen in Höhe von zehn Milliarden Euro erfahren. Und auch die Maastricht-Kriterien wollte Frankreich wieder erfüllen, die jährliche Neuverschuldung des Staates unter drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) drücken. Dies gelang Macron auch 2017, nach neunjährigem Versäumnis unter konservativer und linker Führung. Die Einhaltung der Regel helfe, "unsere Glaubwürdigkeit in Europa zurückzugewinnen", sagte Finanzminister Bruno Le Maire.
Dieser Tage führt er ein anderes Wort im Mund. Eine "Katastrophe" für die Wirtschaft nennt Le Maire die Proteste der "Gelbwesten"-Bewegung. Hotelbuchungen werden en masse storniert, die Händler müssen ihre Läden aus Furcht vor Vandalismus an Demonstrationstagen schließen - und das in der Weihnachtssaison.
Internationaler Imageverlust
Katastrophal war aber auch das Krisenmanagement von Regierung und Präsident. Viel zu spät erkannten sie, wie groß die Wut in der Bevölkerung über die ungleiche Verteilung des Wohlstandes ist. Um sein Image zu reparieren, kündigte Macron an, dass der Mindestlohn um 100 Euro erhöht wird. Sozialsteuern sollen nur noch bei Pensionen über 2000 Euro eingehoben, zudem Überstunden von allen Abgaben befreit werden. Gemeinsam mit dem bereits angekündigten Einfrieren der Ökosteuer kosten die Versprechen der Regierung bis zu 15 Milliarden Euro.
Die einheimische Beruhigungspille - sofern sie wirkt - droht katastrophale Wirkung auf Macrons Image in der EU zu entfalten; die versprochene Budgetkonsolidierung wackelt. Laut Parlamentspräsident Richard Ferrand werde die Regierung erst 2020 wieder zu "einem Rhythmus unterhalb der drei Prozent" zurückfinden.
Bereits lange vor Beginn der Protestwelle, im September, korrigierte die Regierung die Budgetzahlen für 2019 nach unten; von minus 2,4 auf minus 2,8 Prozent.
In den Krisenjahren betrug das Defizit bis zu 7,2 Prozent (2009). Angesichts der mehrjährigen Verstöße drohte die EU-Kommission mit Milliardenstrafen. Doch die Behörde gewährte bei dem neun Jahre laufenden Strafverfahren mehrfach Schonfristen und verzichtete letztlich auf Sanktionen.
Möglicher Kritik der EU-Kommission entgegnet Parlamentspräsident Ferrand nun, "ein stabiles Frankreich" sei "im Interesse Europas". Ähnlich begründet Italiens Premier Giuseppe Conte das Defizit in seinem Land: "Soziale Stabilität zählt mehr als finanzielle Stabilität." Italien droht ein Defizitverfahren der Kommission, da der Etatentwurf der Koalition aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega deutlich von der Vereinbarung mit der sozialdemokratischen Vorgängerregierung abweicht. Statt minus 0,8 Prozent wollte die Regierung erst minus 2,4 Prozent, nun sind minus 2,2 Prozent als Kompromiss im Gespräch. Am Mittwoch verhandelt Conte mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
Klotz am Bein der italienischen Regierung ist die hohe Staatsverschuldung von 132 Prozent des BIP oder 2,3 Billionen Euro; von den EU-Ländern ist nur Griechenland höher verschuldet. Frankreich rangiert mit 97 Prozent an siebenter Stelle, damit ebenfalls deutlich über dem zweiten Parameter der Maastricht-Kriterien. Diese sehen einen Staatsschulden-Grenzwert von 60 Prozent des BIP vor - den neben Frankreich und Italien aber auch Deutschland, Großbritannien sowie Spanien überschreiten.
"Falls die Defizitregeln für Italien gelten, erwarte ich auch, dass sie für Macron gültig sind", sagt Italiens Vizepremier Luigi Di Maio. Seine Regierung strapaziert das Budget mit einer Mindestsicherung von 780 Euro und einer Unternehmensteuer von 15 Prozent für Selbständige und Kleinunternehmer. Die Maßnahmen sollen zu höherem Wirtschaftswachstum führen.
Wie Macron seine Versprechen umsetzt, kann seine Verkehrsministerin Elisabeth Borne am Dienstag nicht erklären: "Wir werden sehen." Frankreichs wichtigster Partner, Deutschland, wird die Debatte argwöhnisch verfolgen, setzt doch die Berliner Regierung auf Budgetdisziplin. Macrons europäische Pläne, etwa ein eigenes Eurozonen-Budget, erfahren so sicher keinen Rückenwind.