Die Protestbewegung der "Gelben Westen" hat zu einer gefährlichen Krise in Frankreich geführt und strahlt inzwischen nach Belgien aus.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 5 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Paris. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat die Angewohnheit, bei Besuchen allen Anwesenden inklusive dem rangniedrigen Service-Personal leutselig die Hand zu schütteln. Dass er dies auch bei seiner Ankunft zum G20-Gipfel in Buenos Aires tat, belustigte die Nutzer Sozialer Netzwerke: Denn der Sicherheitsmitarbeiter, den er als Ersten nach dem Aussteigen aus dem Flugzeug begrüßte, trug eine gelbe Warnweste - die in Frankreich zum Erkennungszeichen der Protestbewegung gegen steigende Spritpreise, generell eine zu hohe Steuerlast sowie Macrons Politik und Person geworden ist.
"Dabei glaubte er sich 11.000 Kilometer entfernt von ihnen", spottete ein User auf Twitter. Tatsächlich haben die "Gelben Westen" mit ihren wiederholten Protestaktionen die bisher größte Krise in Macrons Amtszeit ausgelöst. Dabei handelt es sich auch um ein von der ansonsten schwachen Opposition unterstütztes und den Medien gepuschtes Phänomen: An den Demos beteiligten sich vergangenen Samstag landesweit nur noch 106.000 Menschen, gegenüber 283.000 in der Vorwoche. Zudem mischten sich vermummte Krawallmacher unter die Teilnehmer, randalierten und lieferten der Polizei teils Straßenkämpfe.
Ausschreitungen auch in Brüssel
Inzwischen breiten sich die Proteste auch im benachbarten Belgien aus: In Brüssel gab es am Freitag ebenfalls Demos, bei denen es auch zu Ausschreitungen kam. Im Europaviertel brannten zwei Polizeiautos aus, die Sicherheitskräfte sperrten den Umkreis nur wenige hundert Meter von der EU-Kommission entfernt mit Stacheldraht ab und setzten Wasserwerfer und Pfefferspray ein. Mehrere Dutzend Menschen wurden festgenommen.
In Frankreich sind unterdessen für diesen Samstag neue Aktionen geplant. Die Prachtstraße Champs-Élysées wird für den Verkehr gesperrt, für Fußgänger gibt es Identitätskontrollen. Bemerkenswert erscheint, dass sich in Umfragen nur 20 Prozent der Franzosen zu der Bewegung zählen, aber 84 Prozent diese gutheißen, obwohl sie zu zahlreichen Straßenblockaden führte. Drei von vier Befragten fanden Macrons Rede am Dienstag nicht überzeugend, in der es eigentlich um seine Energiestrategie gehen sollte, er aber sein Verständnis für die "Gelben Westen" äußerte: Er wisse um die finanzielle Not vieler Franzosen und schlage für die nächsten drei Monate überall im Land Diskussionen mit wirtschaftlichen, politischen und sozialen Akteuren vor, um Lösungen zu finden.
Ökosteuer auf Treibstoff bleibt
Premier Edouard Philippe traf Vertreter der Protestbewegung, dabei kam es zu einem Eklat: Einer der beiden eingeladenen Aktivisten brach das Gespräch am Freitag nach kurzer Zeit ab, weil Philippe sich geweigert haben soll, das Gespräch live im Fernsehen übertragen zu lassen.
Stein des Anstoßes für die "Gelben Westen" ist eine Ökosteuer auf Diesel und Benzin, die zu steigenden Treibstoffpreise geführt hat. Macron könnte sich nun eine Koppelung der Steuer an den Weltmarktpreis für Öl vorstellen, um zu starke Preiserhöhungen auszugleichen. Von der Steuer selbst will er nicht abgehen. Die Regierung weiß, dass der geballte Volkszorn auf der Straße gefährlich werden kann. Macrons Beliebtheit ist auf rund 25 Prozent gefallen - so tief wie bei seinen Vorgängern François Hollande und Nicolas Sarkozy.