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Made in Austria am Bosporus willkommen

Von Klaus Jürgens

Gastkommentare
Klaus Jürgens hat bis 2016 in der Türkei gelebt und dort als Universitätslektor (BWL, Schwerpunkte KMU und Europarecht) sowie als Journalist gearbeitet.

Eine Eiszeit zwischen der EU - inklusive Österreich - und der Türkei nach dem Referendum würde vor allem der Bevölkerung schaden.


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Vor drei Wochen hatte ein Think Tank in Istanbul zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Thema: Wie das Referendum über die anstehende Verfassungsänderung von Europa aus bewertet wird. Es war Teil einer Veranstaltungsreihe, in der türkische und internationale Berichterstatter gemeinsam diskutieren und Handlungsvorschläge anbieten. Politik, Wirtschaft, Gesellschaft - kein Thema ist "too hot to handle", Think Tank pur eben. Viele Türken verstehen die verbalen Breitseiten gegenüber ihrem Lande einfach nicht, daher wird nun auf diese Weise versucht, Brücken zu bauen.

Nun ist das Referendum vorbei, mit einem knappen Sieg für Präsident Recep Tayyip Erdogan, aber Demokratie lebt nun einmal von knappen Ergebnissen. Bei 80 Prozent "Ja" hätte von einer Ein-Parteien-Struktur sprechen müssen. Wenn allerdings eine Regierungspartei und ihr höchster Repräsentant und Wahlkämpfer nach mehr als 14 (!) Jahren in der Verantwortung immer noch mehr als 50 Prozent aller abgegebenen Stimmen auf sich vereinen, dann ist das sehr bemerkenswert.

Drei Dinge seien dazu festgestellt:

Erstens kommt man, wenn man viele Jahre lang in der Türkei gelegt und gearbeitet hat, zu dem Schluss, dass Europa - mit aller diplomatischen Vorsicht ausgedrückt - den Türkei-Faden sprichwörtlich verloren hat. Bereits vor dem Putschversuch am 15. und 16. Juli 2016 hatten viele in der EU allem Anschein nach Angst vor einer starken, wohlhabenden, einflussreichen Türkei. Als der Putschversuch dann von den Türken selbst vereitelt wurde, gab es Krokodilstränen aus Europa mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs. Seitdem trauen viele Türken der EU nicht mehr (aber immer stärker der Regierung in London). Dazu kam der Flüchtlingspakt - und im Gegenzug doch keine Visafreiheit.

Zweitens brachte wohl der Versuch seitens mehrerer EU-Staaten, höchst offiziell in den Wahlkampf um das türkische Referendum einzugreifen, das Fass verbal zum Überlaufen. Wie würden wohl die Österreicher reagieren, wenn ein österreichischer Minister nach dem Grenzübertritt von Bulgarien aus per Nummernschild-Falle an einer Autobahnbrücke gespottet und kurz darauf handgreiflich des Landes verwiesen würde, vor allem wenn es sich dabei um eine Frau handeln würde?

Drittens muss Politik die Kunst des Machbaren sein. Denn wenn die Europäische Union weiter wie bisher macht mit ihrer Bevormundung, erklärt sie damit ja ein ganzes Land für unzurechnungsfähig, mit all seinen Bürgern.

Nun zu Österreich: Man kann nur begeistert sein von der enormen Triebkraft, die Österreichs diplomatische Vertreter in der Türkei an den Tag legen, sei es in den Bereichen Kultur, Architektur und natürlich Wirtschaft. Ebenso Advantage Austria, das als Webportal für Besucher aus aller Welt zu einem Vorreiter für Cross-Border-Wirtschaftsmanagement geworden ist.

Eine politische Eiszeit, wie sie zuerst in Brüssel und auch in Österreich ausgerufen wurde, nützt niemandem. Vor allem nicht den Bürgern beider Staaten, die sich eigentlich gut verstehen und einander vertrauen. Die Türkei hat gewählt - jetzt sollte es heißen: "Back to Business"; erst bilateral von Österreich aus und dann auch seitens der EU.