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"Made in Israel" - künftig antisemitisch?

Von Stefan Brocza

Gastkommentare
Stefan Brocza ist Experte für Europarecht und internationale Beziehungen.
© privat

Der Nationalrat will mit untauglichen Mitteln den Boykott israelischer Produkte verhindern.


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Am 11. Dezember brachten alle politischen Fraktionen des österreichischen Nationalrats einen gemeinsamen Entschließungsantrag ein. Darin verurteilt man jede Form von Antisemitismus, einschließlich israelbezogenen Antisemitismus, und fordert die Bundesregierung auf, diesen Tendenzen entgegenzutreten. Insbesondere wird die Regierung aufgefordert, den Aufruf zum Boykott von israelischen Produkten zu verurteilen.

Um israelische Produkte überhaupt boykottieren zu können, müssen sie als solche erkennbar sein. Das ist normalerweise auch kein Problem, findet sich doch bei allen Produkten aus allen Ländern ein Hinweis auf ihren Ursprung beziehungsweise ihre Herkunft. Dies ist anerkannter Standard und wird auch von den Konsumenten goutiert. Wenn man jetzt aber wie der österreichische Nationalrat den Boykott verurteilen will (und in der Folge nicht ermöglichen möchte), gerät man automatisch in Konflikt mit geltendem Recht.

Um sich die Problematik vor Augen zu führen, hilft ein Blick auf ein jüngst ergangenes Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union. Am 12. November haben die EuGH-Richter in Luxemburg über die Angabe der Herkunft von Waren aus den vom Staat Israel seit Juni 1967 besetzten Gebieten entschieden. Ergebnis: Das Ursprungsland oder der Herkunftsort eines Lebensmittels muss angegeben werden, wenn ohne diese Angabe eine Irreführung der Verbraucher möglich wäre, weil bei ihnen der Eindruck erweckt würde, dass dieses Lebensmittel aus einem anderen als seinem tatsächlichen Ursprungsland oder Herkunftsort kommt. Außerdem darf die Angabe des Ursprungslands oder des Herkunftsorts auf dem Lebensmittel nicht so gestaltet sein, dass der Verbraucher getäuscht wird.

Eine Umsiedlungspolitik gegen das Völkerrecht

Zur Frage, ob die Angabe "Israelische Siedlung" bei solchen Produkten daher verpflichtend ist, hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Siedlungen, die in vom Staat Israel besetzten Gebieten errichtet wurden, dadurch gekennzeichnet sind, dass sich darin eine Umsiedlungspolitik manifestiert, die dieser Staat außerhalb seines Hoheitsgebiets unter Verstoß gegen die Regeln des humanitären Völkerrechts umsetzt. Ohne diese Angabe würden europäische Verbraucher irregeführt. Diese könnten nämlich, wenn jegliche Information fehlt, nicht wissen, ob ein Lebensmittel aus einer israelischen Siedlung kommt, die in einem dieser Gebiete unter Verstoß gegen die Regeln des humanitären Völkerrechts errichtet wurde.

Gemäß geltendem EU-Recht muss es den Verbrauchern möglich sein, unter Berücksichtigung nicht nur von gesundheitsbezogenen, wirtschaftlichen, umweltbezogenen oder sozialen, sondern auch von ethischen Erwägungen oder solchen, die die Wahrung des Völkerrechts betreffen, eine fundierte Wahl beim Kauf von Produkten zu treffen. Der EuGH hat diesbezüglich auch darauf hingewiesen, dass solche Erwägungen die Kaufentscheidung der Verbraucher natürlich beeinflussen können (und sollen).

In seiner jetzigen Form lässt sich daher der Entschließungsantrag des Nationalrats nicht umsetzen. Vielleicht sollten die Antragssteller in sich gehen und ihre Emotionen dem gültigen Recht anpassen.