Zum Hauptinhalt springen

Madrid kämpft gegen Windmühlen

Von Hermann Sileitsch

Analysen

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die "Entspannung" in der Eurokrise hat nur ein Quartal gedauert. Jetzt dreht sich die Abwärtsspirale erneut und droht neben Spanien auch Italien mitzureißen. Was ist passiert?

Die Ruhe war trügerisch: So sehr sich EU-Politiker für den Fiskalpakt und den Euro-Stabilitätsmechanismus auf die Schulter klopften: Die "Beruhigung" hatte einzig und allein die Europäische Zentralbank mit ihrem 1000-Milliarden-Kredit für die Banken erkauft. Wenn Ihnen künftig jemand weismachen will, die Krise sei vorbei oder am Abklingen, stellen Sie die Gegenfrage: Sind die Zentralbanken auf normalen geldpolitischen Kurs zurückgeschwenkt? Ist die Antwort "Nein", ist die Krise nicht vorbei.

Spanien hat auch selbst zur Verschärfung beigetragen. Kurz nach dem Regierungswechsel stellte sich heraus, dass das angepeilte Defizit weit verfehlt wird. Das erinnerte frappant an Griechenland 2009. Premier Mariano Rajoy hat die Lage verschärft, indem er als Erstes die Defizitziele mit der EU nachverhandeln wollte: verständlich, aber ein fatales Signal. Und für das Anlegervertrauen reines Gift. Die Reaktion folgte prompt: Eine spanische Anleihenauktion floppte und verstärkte die Skepsis noch weiter. Übersee-Investoren halten sich weiterhin von Investitionen in Euro-Sorgenkinder fern.

Was besonders nachdenklich stimmt: Nicht einmal das von Rajoy mit Pomp präsentierte Spar- und Reformpaket hat den Abwärtstrend gestoppt. Der Wert der Schuldtitel verfällt weiter, die Zinsen haben wieder ungesunde Höhen erreicht. Zu tief steckt Spanien in der Rezession fest, zu hoch ist die Arbeitslosigkeit. All das belastet den Haushalt massiv. Dabei waren Spaniens Staatsfinanzen zu Beginn der Krise fast mustergültig. Dann platzte die Immobilienblase - und Staatsfinanzen und Bankbilanzen wurden kommunizierende Gefäße. Hunderte Milliarden Euro haben Spaniens Banken als Kredit an den maroden Bau- und Immobiliensektor vergeben - die Ausfälle sind längst noch nicht verdaut. Jene 50 Milliarden Euro an Kapital, die die Regierung in den Bankensektor gepumpt hat, werden bei Weitem nicht ausreichen. Die Großbank Santander spricht davon, dass 10.000 bis 12.000 spanische Bankfilialen zusperren müssen, um den veränderten Bedingungen Rechnung zu tragen.

Das zweite Fragezeichen sind die 17 Regionen. Die Konservativen regieren in der Mehrzahl, nicht aber in der größten (Andalusien), reichsten (Katalonien) und eigensinnigsten Region (Baskenland). Ob Madrid diese an die Kandare nehmen kann, ist fraglich. Ein Sprecher in Brüssel hat eingeräumt, die EU-Kommission könne Rajoys Sparpläne nicht beurteilen, solange Informationen aus den Regionen fehlen. Auch wenn Madrid und Brüssel dementieren: Spanien ist dem Hilferuf an den Euro-Rettungsschirm näher, als alle zugeben wollen.