Opposition schäumt und wittert Stimmenfang vor Kommunalwahlen.
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Caracas. Der venezolanische Präsident Nicolás Maduro hat angekündigt, mit "eiserner Faust" gegen "Spekulation und Wucher" vorgehen. Zuvor hatte ihn das Parlament in einer tumultartigen Sitzung ermächtigt, mit Sondervollmachten zu regieren. "Was Ihr bisher gesehen habt, waren nur die ersten Aktionen gegen die parasitäre Bourgeoisie, und das ist wenig verglichen mit dem, was ich tun werde", sagte Maduro, der mit schärferen Kontrollen der immer schlechteren Wirtschaftslage beikommen will.
Maduro kann nun für ein Jahr Dekrete erlassen, die Gesetzeskraft haben und vom Parlament nicht mehr bestätigt zu werden brauchen. Die Opposition ist strikt dagegen, ihrer Meinung nach reichen die normalen Befugnisse der Exekutive aus. Um dem Präsidenten Sondervollmachten zu erteilen, ist eine Drei-Fünftel-Mehrheit nötig, die das Regierungslager nur knapp zustande brachte.
Im Hintergrund steht die immer dramatischere Wirtschaftslage des Landes, das eine Inflation von 54 Prozent im Jahr verzeichnet. Der Schwarzmarktkurs des Dollars ist bis zu achtmal höher als der offizielle. Selbst bei Gütern des Grundbedarfs herrscht eine Unterversorgung von 20 Prozent. In die staatliche Ölindustrie, mit deren Gewinnen Maduro-Vorgänger Hugo Chávez zahlreiche populäre Sozialprogramme finanziert hat, wird Kritikern zufolge seit Jahren viel zu wenig investiert, sodass die Gewinne eingebrochen sind.
Maduro, der im Frühjahr die Wahl um die Nachfolge des im März verstorbenen Chávez nur knapp gewann, hat den Ton gegenüber der Privatindustrie noch mal verschärft, der er Korruption, Hamsterei und Wucher vorwirft. In den vergangenen Wochen sind verschärft Preis-Inspektoren ausgeschwärmt, die bei den Firmen intervenieren und die Gewinnmargen nach "wissenschaftlichen" Kriterien darauf hin überprüfen, ob sie "angemessen" sind.
Tumult und Plünderung durch Preisregulierung
Zu Tumulten und Plünderungen haben die Preissenkungen geführt, die die Regierung seit Anfang des Monats erzwingt. Als der Präsident anordnete, die Ladenkette Daka zu besetzen und deren Waren, vor allem Haushaltsgeräte und Unterhaltungselektronik, zu billigen Preisen abzugeben, bildeten sich sofort lange Schlangen vor den Filialen. Teils marschierten Soldaten auf, um die Ruhe zu gewährleisten, in anderen Fällen kam es zu Plünderungen, an denen sich das Bewachungspersonal beteiligte. Maduro hatte die Parole ausgegeben, die Ladenregale zu leeren, was Kritikern zufolge die Übergriffe geradezu gerechtfertigt hat.
Vor allem die beiden Wechselkurse bieten seit Jahren unendliche Möglichkeiten zu Korruption und Betrug, an denen die Wirtschaft ebenso beteiligt ist wie die Beamtenschaft, die das System der Devisenzuteilung verwaltet. Importeure beantragen in aufwendigen bürokratischen Verfahren die Zuteilung von Devisen zum offiziellen Kurs, kaufen im Ausland ein und verkaufen - so Maduros Vorwurf - im Inland zu Preisen des Schwarzmarktes.
Bisher wurden rund 100 Unternehmer und Betriebsleiter festgenommen. Maduro drohte an, Spekulation künftig mit der Höchststrafe von 30 Jahren zu ahnden. Die Preisüberwachung, die in den vergangenen Tagen die Haushaltsgeräte betraf, soll auf Lebensmittel, Spielzeug, Bekleidung, Autos und Eisenwaren ausgeweitet werden.
Die Opposition wirft der Regierung vor, mit ihrer Wechselkurspolitik, Preiskontrollen und der massiven Verstaatlichung in der Ära Chavez selbst für den wirtschaftlichen Niedergang des ölreichen Staates verantwortlich zu sein. Hinter dem Griff nach den Sondervollmachten wittert die Opposition auch den Versuch Maduros, mit populistischen Maßnahmen vor den Kommunalwahlen am 8. Dezember auf Stimmenfang zu gehen. Die Wahlen in Städten und Gemeinden sind der erste Stimmungstest, seit Maduro die Nachfolger des verstorbenen Chavez angetreten hat. Von den 14 Jahren, die Maduro-Vorgänger Chávez amtierte, regierte er viereinhalb Jahre mit Sondervollmachten.