Venezuelas Staatschef wird am Donnerstag für eine zweite sechsjährige Amtszeit vereidigt.
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Caracas. Nach dem Tod des venezolanischen Übervaters Hugo Chávez 2013 ging alles ganz schnell: Sein handverlesener Nachfolger, Nicolás Maduro, der schon längst die Präsidialgeschäfte interimsmäßig geführt hatte, konnte die ein Monat später angesetzte Präsidentschaftswahl knapp für sich entscheiden: Mit 50,6 Prozent der Stimmen. Das Volk wurde aufgerufen, die Errungenschaften des sozialistischen Präsidenten Chávez zu bewahren: Sozial- und Bildungsprogramme für die Armen sowie Enteignungen von einheimischen und ausländischen Unternehmen.
Doch der sozialistische Traum hat sich schon unter Chavéz immer mehr in eine Dystopie gewandelt - und seinem Nachfolger Maduro fehlen das Charisma seines Ziehvaters sowie die ökonomischen Rahmenbedingungen.
Venezuela ist das Land mit den größten Erdölreserven. Doch ab 2014 fiel der Ölpreis stark. Konfrontiert mit einer wirtschaftlichen Misere und einem immer unzufriedeneren Volk, baute Maduro die demokratischen Institutionen Stück für Stück ab und wählte den Weg in eine Autokratie. Als bei Parlamentswahlen 2015 erstmals seit dem Jahr 1999 die Opposition die Mehrheit erlangte und sogar eine Zwei-Drittel-Mehrheit erzielte, kassierte der Oberste Gerichtshof - kurz davor personell von der Regierungspartei bestückt - erst einmal drei Parlamentssitze ein, damit die verfassungsändernde Mehrheit der Opposition ins Wackeln kommt.
Oppositionelles Parlament wurde 2017 entmachtet
Dann trat ein Dekret in Kraft, wonach das Parlament nicht mehr den Zentralbankchef nominieren darf. Das Parlament setzte ein Referendum zur Absetzung von Maduro an. Das versuchte Maduro zu verhindern, weshalb die Opposition zu Straßenprotesten aufrief, um so Druck zu erzeugen. Die Blockade des Referendums durch die Wahlbehörde 2016 verschärfte die Situation weiter. Maduro prangerte einen "parlamentarischen Staatsstreich" an.
2017 wurde das Parlament im Frühling zum ersten Mal entmachtet - durch den Obersten Gerichtshof. Begründet wurde das Urteil mit Missachtung der Verfassung und unzureichender Zusammenarbeit mit anderen Staatsgewalten.
Der Abgeordnete Miguel Pizarro erklärte damals: "Die Übersetzung ist einfach: Diktatur."
Eine Woche später nahm der Oberste Gerichtshof die Entmachtung wieder zurück. Aber die Straßenproteste wurden immer blutiger, über 100 Tote waren im ersten Halbjahr 2017 zu beklagen.
Maduros Antwort auf die Krise war die Idee einer "Verfassungsgebenden Versammlung", die dem Parlament übergeordnet wäre und eine neue Verfassung ausarbeiten solle. Der Schlüssel für die Auswahl der Personen in der Versammlung bevorzugte klar Maduro-freundliche Sektoren. Die Versammlung solle "eine des Volkes, nicht der Parteien" sein, erklärte Maduro.
Die venezolanische Generalstaatsanwaltschaft wollte die Wahl zu einer Verfassungsgebenden Versammlung kippen. Sie halte das Projekt für verfassungswidrig, sagte Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Diaz.
Verfassungsgebende Versammlung als Farce
Die Abstimmung über die Verfassungsgebende Versammlung ging im Sommer 2017 trotzdem über die Bühne. Inklusive Hinweisen auf Wahlbetrug. Der britische Techniklieferant Smartmatic, dessen Wahlmaschinen verwendet wurden, erklärte, die Zahlen zur Wahlbeteiligung seien "ohne jeden Zweifel manipuliert" worden. Die Differenz zwischen der tatsächlichen Zahl der abgegebenen Stimmen und der offiziellen Wahlbeteiligung betrage Schätzungen zufolge "mindestens eine Million". Die Regierung hatte nach Schließung der Wahllokale eineinhalb Stunden später bekanntgegeben, dass 8,1 Millionen Venezolaner zur Wahl gegangen seien. Einer der ersten Akte der Verfassungsgebenden Versammlung: die Entlassung der Generalstaatsanwältin Ortega, die Chávez’ Erbe verteidigen wollte. Sie flüchtete später ins Ausland.
Das Parlament wurde kurz darauf unwiederbringlich entmachtet - diesmal von der Verfassungsgebenden Versammlung.
Diese entschloss sich zudem, das Momentum auszunützen und die Neuwahlen ums Präsidentenamt von Dezember 2018 auf Mai 2018 vorzuverlegen.
Das wichtigste Oppositionsbündnis MUD boykottierte den Urnengang, zahlreiche Oppositionspolitiker saßen im Gefängnis und die Wahlbeteiligung lag bei unter 50 Prozent.
Maduro entschied aber nach offiziellen Angaben mit deutlichem Vorsprung diese umstrittene Wahl für sich.
Die Wahl habe gegen internationale Standards verstoßen, hieß es von der Staatengemeinschaft. Maduro zeigte sich davon unbeeindruckt. Ein halbes Jahr später, diesen Donnerstag, wird er nun für seine zweite sechsjährige Amtszeit vereidigt.
Am Vortag veröffentlichten zwei Menschenrechtsgruppen ihre Berichte, wonach venezolanische Sicherheitskräfte Militärs, die des Putschversuchs verdächtigt wurden, gefoltert haben. Ein Bericht erzählt auch von gefolterten Zivilisten.
Nach UN-Angaben haben seit 2015 etwa 2,3 Millionen Menschen Venezuela verlassen.