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Maexchen, Kinder & Co -Namens-Streit im WWW

Von Matthias G. Bernold

Wirtschaft

Die wilden Zeiten sind vorbei. Das World Wide Web, Anfang der 1990er Jahre noch normatives Niemandsland, wird stückchenweise verrechtlicht. Das gilt in besonderem Maß für "Domains", die Namen der Web-Seiten. Galt es bis vor kurzem noch als Goldgrube, Domains registrieren zu lassen, um damit Handel zu treiben, macht die jüngste Judikatur Domain-Spekulanten ("Domain-Grabber") zunehmend einen Strich durch die Rechnung. Damit nicht jeder Domain-Streit vor dem Richter endet, soll ab Jänner 2003 die erste österreichische Schlichtungsstelle ihren Probebetrieb aufnehmen.


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Derzeit gibt es rund 260.000 österreichische "Top-Level-Domains", d. i. Homepage-Adressen mit der Endung "at" (wie etwa http://www.wienerzeitung.at ). Verwaltet werden sie bei der in Salzburg ansässigen NIC.AT GmbH, die als zentrale Registrierungsstelle für Österreich fungiert. Jeder, der einen Homepage-Namen sichern lassen will, kann dies bei NIC.AT tun, wenn er bestimmte technische Voraussetzungen erfüllt, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen akzeptiert und die Gebühr in Höhe von 72 Euro (Neuregistrierung inkl. ein Jahresentgelt) berappt. Erst wenn die Domain in der Datenbank erfasst wird - die technische Durchführung obliegt der Universität Wien - wird die Domain erreichbar.

Prioritätsgrundsatz

Vor ihrer Registrierung, die zumeist via Internet erfolgt, werden die Domainnamen keiner Überprüfung auf ältere Rechte unterzogen. Weltweit erfolgt die Zuteilung der Domains ausschließlich nach dem Prioritätsprinzip. Wer zuerst um eine Registrierung ansucht, bekommt den noch nicht vergebenen Domainnamen zugesprochen, wobei der Zeitpunkt der Genehmigung des Antrags entscheidend ist. Die eintragenden Organisationen behalten sich aber das Recht auf Zurückweisung offensichtlich missbräuchlicher Anmeldungen vor. Barbara Haindl, Juristin bei NIC.AT erläutert: "Wenn ,Micky Maus' eine Domain bei uns anmelden will, akzeptieren wir das nicht".

Geraten sich zwei Personen wegen einer Domain in die Haare, löst NIC.AT den Konflikt nicht. "Das Einige, was wir tun können", führt Haindl aus, "ist Domain auf ,Wait' zu stellen". Das bedeutet: Während einer - zumeist vierwöchigen Sperrfrist - kann der Name nicht an jemanden anderen übertragen werden.

Geschätzte 200 Mal im Jahr soll es vorkommen, dass eine Domain "auf Warten gestellt" wird. "Jedes ,Wait' ist dabei ein Indiz für einen Domain-Streit", erläutert der Wiener Rechtsanwalt Michael Pilz - die Dunkelziffer für die Streitereien liege freilich noch weit höher.

Pilz gehört zu jener Handvoll österreichischer Rechtsanwälte, die sich ihr Geld mit Internet-Rechts-Fällen verdienen. Ein "überaus spannender Bereich", wie Pilz gegenüber der "Wiener Zeitung" feststellt, allerdings einer mit Tücken: "Bei Domain-Prozessen ist das Risiko für jeden Beteiligten höher. " Anders als in anderen Rechtsgebieten könne hier keiner den Ausgang einer Causa sicher vorhersagen, meint Pilz. Das Rechtsgebiet sei in ständiger Bewegung.

Erst seit etwa einem Jahr würden sich Judikatur-Linien andeuten. Einiges wurde immerhin schon bis zum Obersten Gerichtshof ausgestritten: So zum Beispiel der Zwist rund um das Online-Satire-Magazin "diekrone.at", den das Kleinformat für sich entschied. Oder "kinder.at" - nach zweijährigem Rechtsstreit im Juli wurden die Ansprüche des Ferrero-Konzerns abgewiesen. Originell auch die Causa "maexchen.at". Der Mobilfunkbetreiber Max-Mobil (heute T-Online) musste sich diese Domain erst erkämpfen. Ein findiger Geschäftsmann hatte "maexchen.at" registrieren lassen und Konkurrent Tele-Ring zum Kauf angeboten.

Schlichtungsstelle

Damit nicht jeder Rechtsstreit einen teuren und zeitaufwendigen Zivilprozess nach sich zieht, soll noch im Jänner der Probelauf für eine freiwillige Entscheidungsinstanz nach internationalem Vorbild beginnen. Nach 18 Monaten, wenn klar ist, ob das Schlichtungs-Modell Akzeptanz findet, soll entschieden werden, ob die Schlichtungsstelle in ein obligatorisches Schiedsgericht umgebaut wird. Pilz erläutert: "Aus Sicht des Klägers ergibt sich der Vorteil, dass die Domain nach einer entsprechenden Entscheidung der Schlichtungsstelle direkt vom Beklagten auf den Kläger übertragen werden kann". Aber auch die Beklagten würden profitieren: Beim Verfahren vor der Schlichtungsstelle, das über E-Mail abgewickelt wird, zahlt nämlich der Kläger die Verfahrenskosten - 600 Euro im Verfahren vor dem Einzelschlichter, 1.000 Euro, wenn der Dreier-Senat tätig wird.

Rechtsquellen

Für das Recht am Domainnamens - unabhängig davon, ob ein solches vor einem ordentlichen oder einem Schiedsgericht beansprucht werden soll - werden derzeit folgende Vorschriften herangezogen: Schutz der Marke, Schutz des Namens (§ 43 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch), Schutz des Firmennamens (§ 37 Abs. 2 Handelsgesetzbuch), Schutz von Kennzeichen nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Schutz des Titels (§ 80 Urheberrechtsgesetz).

Mehr Info im Internet: http://www.wienerzeitung.at/frameless/computer.htm

http://www.internet4jurists.at

http://www.nic.at

http://www.rechtsprobleme.at

Glossar

Domain: Jeder Internet-Server ist durch seine IP-Adresse (4 jeweils durch einen Punkt getrennten Zahlen zwischen 0 und 255) eindeutig im Internet identifizierbar. Da solche Zahlenkombinationen wenig anwenderfreundlich sind, wurden die Domains eingeführt. Hierbei handelt es sich nur um die Umwandlung der IP-Adresse in Buchstaben, z. B. www.wienerzeitung.at. Die erste Bezeichnung bedeutet dabei, dass der Server dem World Wide Web angehört, das zweite Wort dient der Individualisierung des Unternehmens, und bei der letzten Buchstabenkombination handelt es sich um die sogenannte

Top Level Domain, die für ein Land steht (z. B. "at" für Österreich, "de" für Deutschland) oder für eine Organisation (z.B. "com" für kommerziell tätige, "gov" für staatliche und "org" für nicht kommerzielle Organisationen).

Domain-Grabbing: Auch "Cyber-squatting" genannt. Reservierung von Domains mit der Absicht, diese später mit Gewinn zu verkaufen oder einen Konkurrenten von der Nutzung seines Namens oder seiner Marke im Domainnamen auszuschließen. Wird rechtlich unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit nach § 1 UWG beurteilt.

ACONET: 1986 gegründeter Verein zur Förderung eines österreichischen wissenschaftlichen Datennetzes, mit den EDV-Zentren der Universitäten als Mitglieder. Erster Internet-Provider in Österreich. Verwaltete von 1988 bis 1998 die Toplevel-Domain "at".

ISPA: Verband der österreichischen Internet-Anbieter. Übernahm vom ACONET-Verein die Verantwortung für die Domain .at und gründete zu diesem Zweck die

NIC.AT: Internet-Verwaltungs- und Betriebs GmbH. Ist seit 1. Juli 1998 in Österreich für die Domainverwaltung zuständig. Gleichzeitig hat das EDV-Zentrum der Uni-Wien mit der NIC.AT GmbH einen Vertrag geschlossen, wonach die technische Durchführung der Verwaltung weiter der Uni obliegt.

ICANN: Die Internet Corporation for Assigned Numbers and Names wurde von der US-Regierung mit der Domain-Verwaltung beauftragt. ICANN ist zuständig für die weltweite Vergabe von IP-Adressen, Protokoll-Regelungen und DNS-Management. Sie bestellt Unternehmen für die Domainvergabe und richtet Online-Schiedsgerichte ein.