Sohn des früheren Bürgermeisters von Palermo packt vor Gericht aus. | Wien/Palermo. "Silvio Berlusconis 1993 gegründete Partei Forza Italia war das Ergebnis von Verhandlungen zwischen Staat und Mafia." Mit dieser brisanten Behauptung ließ Massimo Ciancimino am Montag im Mafia-Prozess gegen den ehemaligen Geheimdienstchef Mario Mori eine Bombe platzen. Mori wird vorgeworfen, 1995 die Festnahme des Mafia-Bosses Bernardo Provenzano hintertrieben zu haben. Massimo Ciancimino ist der Sohn des früheren christdemokratischen Bürgermeisters von Palermo, Vito Ciancimino, der 2001 wegen seiner Mafia-Verbindungen zu 13 Jahren Haft verurteilt worden war, aber bereits 2002 verstorben ist.
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Nach den blutigen Anschlägen auf die Richter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino am 23. Mai und 19. Juli 1992 habe sein Vater zwischen Carabinieri und Mafia-Bossen vermittelt. Eine der Hauptforderungen der Mafia sei eine Lockerung der Haftbedingungen für verurteilte Bosse gewesen. Später sei sein Vater durch den Berlusconi-Vertrauten Marcello DellUtri ersetzt worden, sagte Massimo Ciancimino.
Entführungsdrohung
Um Berlusconi nach seiner Wahl zum Premierminister im Jahr 1994 an seine Verpflichtungen gegenüber der Mafia zu erinnern, habe Mafia-Chef Provenzano sogar die Entführung des Berlusconi-Sohnes Piersilvio in Erwägung gezogen. Ciancimino legte einen Brief seines Vaters an Berlusconi vor, der sich auf ein entsprechendes Pizzino (Schreiben) Provenzanos bezieht, das für Berlusconi und DellUtri bestimmt war. Er - Provenzano - wolle dazu beitragen, dass dieses traurige Ereignis nicht verwirklicht wird. "Ich bin überzeugt, dass Berlusconi seine Fernsehkanäle zur Verfügung stellen könnte", hieß es in dieser Nachricht Provenzanos. Ciancimino senior hatte in seinem Brief damit gedroht, er könnte seine jahrelange Zurückhaltung aufgeben. Massimo Ciancimino sagte, sein Vater habe damit klarstellen wollen, dass er alles, was er über die Gründung von Forza Italia wisse, preisgeben könnte.
Ciancimino junior, der seit 2008 mit den Ermittlungsbehörden zusammenarbeitet, wies in seiner Aussage auch darauf hin, dass DellUtri, der für Berlusconis "Partei der Freiheiten" (PDL) seit 2001 im Senat sitzt, sich noch 2001 und 2002 mit Provenzano getroffen hat.
Bereits in der Vorwoche hatte Ciancimino ausgesagt, von seinem Vater erfahren zu haben, dass DellUtri und der sizilianische Regionalpräsident Salvatore Cuffaro sich für einen Gesetzentwurf über eine Amnestie in Mafiaverfahren eingesetzt hätten. Cuffaro wurde am 23. Jänner von einem Berufungsgericht wegen Mafiabegünstigung zu sieben Jahren Haft verurteilt.
DellUtri wies Cianciminos Aussagen postwendend zurück und sprach von reinen Erfindungen, die an Wahnsinn grenzten.