Cosa Nostra, ’Ndrangheta und Camorra bauen in Italien ihren Einfluss aus. Die politische Elite schweigt.
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Rom. Das organisierte Verbrechen ist fest verankert in Italien, Politiker, Staatsanwälte und Experten gehen davon aus, dass die Mafia die Wahlen am 4. März zu ihren Gunsten nutzen wird. "Es wird darüber zu viel geschwiegen", zeigte sich Italiens Innenminister Marco Minniti bei einer Veranstaltung der parlamentarischen Anti-Mafia-Kommission besorgt. "Es ist eine Bedrohung für das Wichtigste in einer Demokratie: die Wahlfreiheit."
Die verschiedenen mafiösen Vereinigungen - die sizilianische Cosa Nostra, die ’Ndrangheta in Kalabrien und die Camorra - kaufen Wählerstimmen im großen Stil. Die ’Ndrangheta etwa präsentiert sich als Organisation, die im Gegensatz zum Staat Jobs schaffen kann. Das hat Bedeutung in einem Land, in dem vor allem unter der Jugend die Arbeitslosigkeit grassiert und die Perspektiven in manchen Regionen mehr als schlecht sind. An einem geschaffenen Job hängt eine Familie im weitesten Sinne, in Italien sind das bis zu 20 Personen, die dann nicht nach ihrer politischen Überzeugung entscheiden. Sie wählen den, der sie versorgt.
"Ohrenbetäubende Stille"
Das Gesetz des Schweigens, das für die Mitglieder mafiöser Vereinigungen gilt, macht sich auch im gesellschaftlichen Diskurs breit, kritisiert die katholische Kirche Italiens. "Ich höre eine ohrenbetäubende Stille beim Thema Mafia", so der Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz, Nunzio Galantino. "Es scheint, als wären die Migranten das einzige Problem für die Sicherheit."
Wobei sich die Mafia längst nicht mehr auf den Süden Italiens beschränkt, wo sie historisch ihre Wuzeln hat und wo sie stark geworden ist. Die ’Ndrangheta etwa hat im Norden des Stiefels und im europäischen Ausland (siehe Artikel unten) zuletzt stark an Einfluss gewonnen.
Es werden nicht nur Wähler manipuliert, das gesamte politische System Italiens ist unterwandert. So mussten in den letzten 25 Jahren fast 300 Gemeindevertretungen komplett aufgelöst werden, weil sie mehr oder weniger im Dienst der Mafia standen. Zahlreiche nun zur Wahl Stehende haben Kontakte zum organisierten Verbrechen. Rosy Bindi, Vizepräsidentin der italienischen Abgeordnetenkammer, warnte die Parteien, mehr Achtsamkeit walten zu lassen.
Auch die Fünf-Sterne-Bewegung, die sich den Kampf gegen Mafia und Korruption auf die Fahnen geschrieben hat, hat ihre weiße Weste längst verloren. Das "Movimento" könnte am 4. März zur stärksten Einzelfraktion werden. Zuletzt wurde einer seiner Kandidaten ausgeschlossen, weil ihm Kontakte zu einem Mitglied eines Mafia-Clans nachgewiesen wurde. Gegen den Präsidenten des süditalienischen Fußballklubs Potenza Calcio - er ist ebenfalls Kandidat der Fünf-Sterne-Bewegung - laufen Ermittlungen wegen Geldwäsche. Fünf-Sterne-Parteichef Luigi Di Maio hat den Beschuldigen bereits aus der Partei ausgeschlossen.
Die verschiedenen Mafia-Organisationen haben in Italien enorme wirtschaftliche Bedeutung. Die Camorra erzielt in bestimmten Gegenden Jahresumsätze im zweistelligen Milliarden-Bereich. Der wirtschaftliche Schaden ist riesig, die Mafiosi saugen den Staat förmlich aus: Schadhafte Straßen, nicht funktionierende Kanalisation und Müllabfuhr, fehlende Kindergärten und Fußballplätze legen Zeugnis davon ab. Viele junge Italiener machen gemeinsame Sache mit der Mafia, um endlich an Geld zu kommen. 2500 Euro erhält man laut Experten für einen Auftragsmord.
Die mafiösen Organisationen sind straff und immer noch stark patriarchal-autoritär organisiert. Im Endeffekt ist es der "Capo" dem sich alle anderen bedingungslos unterzuordnen haben. Diese Mafia-Bosse sind zumeist respektiertes Mitglied der Gemeinschaft.
"Der Mafioso gilt in Italien als absolut normaler Mensch", meinte die italienische Mafia-Expertin Asia Rubbo im Sommer 2017 zur "Wiener Zeitung". In einem Dorf wüssten beispielsweise alle, wer der Boss sei und in welche Geschäfte er involviert wäre. Diese Autorität schaffe und zementiere der Capo, indem er das Funktionieren einer Gemeinschaft und den sozialen Frieden an ein Netz aus Gefälligkeiten, Arbeitsplätzen und Krediten knüpft. Die Mafia sorge dafür, dass die von ihr kontrollierten Gebiete niemals zu wirtschaftlichem Wohlstand kämen. Es ist ein System wirtschaftlicher Abhängigkeiten, mit dem sie ihre Macht zementiert.
Ein spezieller Capo
Dass der Gründer der "Forza Italia", Silvio Berlusconi, demnächst wieder die Fäden ziehen könnte, wird dem politischen Einfluss der organisierten Kriminalität in Italien nicht schaden. Bei den Gerichten ist aktenkundig, dass der mehrfache Ex-Premier 30 Jahre lang die Mafia bezahlte, um mit seinen Immobilien- und Medien-Unternehmen Ruhe zu haben. Aktenkundig ist auch, dass der mittlerweile 81-jährige Politiker einen Mafiaboss auf seinem Anwesen beherbergte und beschäftigte. Und die Staatsanwälte gehen dem Verdacht nach, dass Berlusconi eine Serie blutiger Attentate in Auftrag gegeben hat.
Weder die Vorwürfe, er habe Geld von der Mafia angenommen, noch die Aussagen einiger abtrünniger Mafiosi aus Palermo, verschiedene Familien der Cosa Nostra hätten 1993 für Berlusconis Partei Forza Italia Wahlvereine gegründet, können Berlusconi in den Augen seiner Fans und Wähler schaden. Sein Mitte-rechts-Bündnis liegt knapp vor dem 4. März stabil auf Platz eins.