Der österreichische Designer Hans Donner hat in seinem Sehnsuchtsland Brasilien Karriere gemacht - und sein privates Glück gefunden.
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Im Jahr 1958, im Alter von zehn Jahren, hat Hans Donner sich in Brasilien verliebt. Er war begeistert vom Fußball der Brasilianer - und von deren Emotion: Nach jeder Partie der brasilianischen Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Schweden, die er live via Eurovision im Fernsehen sah, spielten sein Bruder Harald und er im Hinterhof in Bregenz "Pelé" und "Gilmar" (wobei Hans als Torhüter zwischen zwei Bäumen im Gegensatz zu Gilmar keinen Ball durchließ). Als dann Pelé (der echte) an der Brust des Torhüters weinte, nachdem Brasilien erstmals die WM gewonnen hatte, identifizierte Hans Donner sich mit diesem - ohne auch nur im Entferntesten davon zu träumen, jemals die portugiesisch Sprache zu sprechen oder gar Pelé kennenzulernen. Er sollte diesen später, bei einer Ausstellung über seine Arbeit in New York, treffen und zu ihm sagen: "Ich habe dich weinen sehen, als du 17 warst."
Viele solcher Begegnungen, Verbindungen, Zufälle - die für ihn keine Zufälle sind, sondern Bestimmung, Fügung, Schicksal - haben das Leben Donners in Brasilien bestimmt. Sie haben ihn, der in Wuppertal geboren und mit zwei Jahren Österreicher wurde, in Wien eine Ausbildung zum Designer gemacht und in Rio de Janeiro das TV-Globo-Logo geschaffen hat, zu dem gemacht, was er hier ist: ein Superstar.
Brasiliens Flagge
Jahrzehntelang ist Hans Donner für das Design des größten (und mächtigsten) Fernsehsenders Brasiliens und eines der größten Senders der Welt, TV Globo, zuständig gewesen. In den vergangenen Jahren hat er sich zunehmend eigenen Projekten gewidmet, "eigenen Schüben", wie er sagt, die aus seinen Erfahrungen entstanden: eine neue Zeit(-messung), eine neue brasilianische Fahne.
Hans Donner hat die Fahne jüngst bei der Eröffnung des Fórum do Amanhã (gegründet vom italienischen Soziologen Domenico di Masi) vorgestellt, das Unternehmer, Intellektuelle und Kreative in Tiradentes zusammenbringt. Seinen Vortrag beginnt er - mit der Zahl 1958. Es folgt ein rasanter und rauschender Überblick über seine Arbeit für TV Globo und den Bezug zu Brasilien. "Für die Menschen in Brasilien bin ich ja TV Globo", sagt Donner. Er schlägt auch den Bogen zu Tiradentes, dieser schnuckeligen, portugiesisch anmutenden Stadt im Bundesstaat Minas Gerais, von wo Portugals Kolonialherren massenhaft Gold abtransportierten oder damit Kirchen in den sogenannten historischen Städten jener Region ausschmückten.
Tiradentes, der Namenspatron der Stadt, war ein brasilianischer Freiheitskämpfer des 18. Jahrhunderts; Hans Donner ist ein österreichischer Designpionier der Gegenwart, der ebenfalls eine große Zuneigung zu Brasilien hat und darum positive Impulse geben möchte. Nach vier Jahrzehnten hier weiß er, wie er die Herzen der Brasilianer erreicht. Im Internet erschienen die üblichen Memes (Inhalte, die sich viral verbreiten). Aber das brasilianische Nachrichtenmagazin "Veja" widmete seinem Fahnendesign und ihm einen Beitrag über vier Seiten. Auf die Frage, aus welchem Grund er das mache, das mit der Fahne, sagt Donner im Gespräch mit der "Wiener Zeitung": "Damit kann ich etwas zurückgeben. Ich habe zu viel bekommen. Wenn man meine Geschichte kennt, ist das fast unglaublich." Und wenn man seine Geschichte kennt, dann kann man auch verstehen, weshalb die stolzen Brasilianer akzeptieren, dass er ihnen einen Design-Vorschlag macht.
"Das ist meine Geschichte:", sagt Donner beim Gespräch in seinem Büro bei TV Globo in Rio de Janeiros edlem Viertel Leblon, "die richtigen Leute, im richtigen Augenblick, an der richtigen Stelle. So passiert’s". Das erklärt wohl auch, wie er darauf kam, sich mit einer anderen Form der Zeitmessung zu beschäftigen: Hans Donner hat eine Uhr entworfen, die die Zeit nicht mit Zeigern, sondern durch in sich verlaufende Scheiben anzeigt. Kairos nennt er sein Werk.
Der richtige Augenblick
"Kairos ist das Gegenteil von Chronos", sagt er. Chronos, der Gott der Zeit, stehe für das Getriebensein. "Bei Kairos jagt uns kein Zeiger, kein Ticken." Gerne hätte er seine Uhr Apple-Gründer Steve Jobs vorgestellt. Doch dieser starb, ehe Donner dazu Gelegenheit hatte.
Sonst passt "die richtigen Leute, im richtigen Augenblick, an der richtigen Stelle" gut. Geradezu legendär ist die Anekdote, wie Hans Donner im Alter von 25 Jahren als Hippie mit einem Touristenvisum und ohne Portugiesisch-Kenntnisse nach Rio kam, um sein Glück zu versuchen. Und, nachdem er 20 Tage nur gelobt worden war, aber nur Absagen bekommen hatte, in einem Aufzug schließlich denjenigen kennenlernte, seinen Schutzengel, wie Donner ihn nennt, der ihm bei TV Globo die Türen geöffnet hat, indem er ihn dem damaligem Chef vorstellte.
Über eine deutschsprachige Designzeitschrift war Hans Donner als Student auf Brasilien aufmerksam geworden. "Spinnst du, was machst du da unten mit deinem Talent?", hatte man ihm in Wien gesagt. "Da gibt’s nur Affen und Bananen." Beides gibt es in Rio de Janeiro tatsächlich zuhauf, auch frische Kokosnüsse, überdimensionale Schmetterlinge, leuchtende Vögel und wilde Krokodile. Den ganzen Überfluss (und Überschwang) und die Vielfalt der Tropen. "Darauf musste ich in meiner Arbeit reagieren", sagt Donner, "sonst wäre ich untergegangen."
Auf die Frage, was in seinem Werk immer noch österreichisch sei, antwortet Hans Donner: "Das klare, sachliche, am Bauhaus orientierte Design." Der Stil, den er aus Wien mitgebracht hatte - und den er mit den aberwitzigen Formen und prächtigen Farben der Tropen verband. Donner zeigt einen Film: Die prophezeiten Bananen und Affen hat er in einem Clip für die Sendung "Planeta dos Homens" (Planet der Menschen) filmisch eingesetzt - mit Ironie: unter der Schale kommt statt des Fruchtfleisches eine wunderschöne, leicht bekleidete Frau hervor.
Seit der schicksalhaften Begegnung im Aufzug hat Donner seine spektakulären Vor- und Abspänne, Trailer und Studiodesigns für Telenovelas und andere Sendungen von TV Globo gemacht. Besonders zwei Arbeiten trugen ihm die Prädikate "Guru des Designs" und "Magier der Computergraphik" ein - und in der Folge internationale Aufmerksamkeit und zahlreiche Preise: sie hängen an der Wand seines Büros. Bei der einen Arbeit hat er 1982 in eine 3D-Computergraphik Menschen eingebaut, bei der anderen 1987 kombiniert, was die Natur an Elementen zu bieten hat (inklusive Wasser in einem Studio-Schwimmbecken).
Das einzige Mal, dass Donner etwas Politisches gemacht hat, war der Vorspann zu einer Telenovela vor 25 Jahren: Indem er der brasilianischen Gesellschaft den Korruptionssumpf bildstark bis zum Mund stehen und Brasilien dann auf der Landkarte im Schlamm versinken ließ, setzte er die aktuelle Situation visionär in Szene. "Das ist unser Land jetzt", sagt er im Gespräch mit einer Gruppe von Teilnehmern des Forums, die er in einem Café in Tiradentes trifft.
Über Graphikdesign geht das, was er macht, weit hinaus. Aber Hans Donner sagt, Räumlichkeit zu schaffen, habe ihn in Wien schon fasziniert. Beim brasilianischen TV habe sich für ihn "ein Raum aufgemacht, wie ein Paradies".
Brasilien, einst auch rettendes Exil für Menschen, die vor den Nationalsozialisten flüchteten, ist das Sehnsuchtsland vieler Deutscher, Österreicher, Schweizer und anderer Mitteleuropäer. Doch manche sind durch die Realität vor Ort, die herrschende Ungleichheit, Gewalt und Korruption dann sehr enttäuscht. Hans Donner aber ist das große positive Beispiel: für ihn hat sich der Traum von den Tropen erfüllt. Er hat in Rio de Janeiro seine "absolute berufliche Verwirklichung" erlebt, verbunden mit familiärem Glück, Reichtum und Prominenz. Er besitzt ein Haus in den Bergen und eines am Meer - und er heiratete Valéria Valenssa, die lange Zeit Star der Karnevalssendung von TV Globo war, als schönste Frau Brasiliens galt, und mit der er zwei Söhne hat.
Kreative Freiheit
In Brasilien war er "am perfekten Platz, mit Menschen, die mich dazu animiert haben, mir nie finanziell Sorgen zu machen, im Gegenteil, viel Geld auszugeben, weil sie das Beste der Welt wollten. Und wenn man kreative und finanzielle Freiheit hat, dann fliegt man".
Doch Hans Donner ist auch ganz einfach geblieben: In Tiradentes ging er nach der Eröffnung des Forum do Amanhã in einen Boteco, um Suppe zu essen. Und er hat auch mit wenig Geld viel geschafft und geschaffen. Das Logo von TV Globo, ein Kreis, in dem sich ein Fernseher befindet und darin wieder ein Kreis, habe er auf einer Serviette entworfen, am Rückflug von seinem ersten Besuch in Rio de Janeiro.
Seine Art zu arbeiten scheint generell sehr spontan und emotional zu sein. Hans Donner benutzt Worte wie Leidenschaft, Liebe, Herz. So hat er es geschafft, 100 Millionen Brasilianer über Jahrzehnte täglich zu berühren. Seine Spontaneität zeigt sich sogar auf der Rückfahrt von Minas Gerais, als er auf einen vorbeiziehenden Berg deutet und dessen Form mit der Hand nachmacht: "Ich gehe nicht bewusst in Museen oder höre eine spezielle Musik." Fast alles ist für ihn Inspiration. Die Berge Brasiliens ebenso wie der Hintertuxer Gletscher, wo er die Idee hatte, sich bei dem Clip zur Fußball-WM 1982 in Spanien in das Stadion hineinzuzoomen, lange bevor es die Internetgiganten aus dem Silicon Valley gab.
Donner fotografiert aus dem Auto heraus, was immer ihm auffällt. Und er ist sehr auf Zeichen bedacht: So hat er das Motto der brasilianischen Fahne, "Ordem e Progresso" (Ordnung und Fortschritt; es geht auf den Positivisten Auguste Comte zurück), noch um "Amor" ( Liebe ) ergänzt und den abfallenden Bogen angehoben, wie er das in Wien gelernt hatte.
Bei Recherchen ist er auch darauf gestoßen, dass die USA, die Brasilien in vielerlei Hinsicht als Bezugspunkt gelten, ihre Flagge 28 Mal geändert haben. Denn die Frage war aufgetaucht, ob man eine Nationalfahne ändern dürfe. Und siehe da, die USA haben sie zuletzt 1958 geändert - in dem Jahr, als Hans Donner sich in Brasilien verliebte.