Konzern gibt für heuer verhaltene Umsatzprognose. | Seit 2004 sinken die Gewinne. | Mit Deripaska will Magna Russland erschließen. | Wien. Fein, aber klein ist der neueste Auftrag für den Kfz-Zulieferer Magna Steyr. Wie berichtet, soll das österreichische Werk des Konzerns dem Vernehmen nach 2000 bis 3000 Luxusfahrzeuge der Marke Aston Martin bauen. Dieser Auftrag kommt Magna dennoch gelegen, denn der Konzern des Austrokanadiers Frank Stronach wird in nächster Zeit den Geländegang einlegen müssen.
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Als Stronach letztes Jahr 75 und Magna 50 Jahre alt wurden, hat sich in Stronachs Imperium Entscheidendes geändert: Der russische Milliardär Oleg Deripaska hat nahezu die Hälfte von Magna erworben. Gleichzeitig ist im Grazer Werk nach 15 Jahren die Produktion des Chrysler Voyager ausgelaufen.
Seit dem Rekordjahr 2004 sinken die Gewinne von Magna International: Damals konnten noch 676 Millionen Dollar verteilt werden, 2005 waren es 639 Millionen, 2006 noch 528 Millionen Dollar. 2007 brachte einen Ausreißer nach oben: Der Nettogewinn stieg um ein Viertel auf 663 Millionen Dollar, auch aufgrund von Einmaleffekten. Dank Zuliefererfolgen auch außerhalb von Europa und Nordamerika legte der Umsatz um 8 Prozent auf 26,1 Milliarden Dollar zu. Die Umsatzprognose für heuer fällt mit 25 bis 26 Milliarden Dollar jedoch verhalten aus, Gewinnprognose gibt es keine.
Die schwierige Lage der großen drei Player der Kfz-Branche von Detroit zählt zu den Ursachen. General Motors, Ford und Chrysler machen immer noch rund die Hälfte des Magna-Geschäftes aus.
Außerdem steigen die Rohstoffpreise: Stahl, Stahlteile und Kunststoffgranulat, das aus Erdöl hergestellt wird, wurden teurer. Das trifft Türen, Inneneinrichtungen, Spiegel, Lenkräder mit Airbags ebenso wie Getriebe und Achsen.
Modelle made by Magna
Es herrscht Konkurrenz zu den anderen Zulieferern wie Delphi, früher eine GM-Division, oder Visteon, früher bei Ford. Delphi kämpft seit Jahren gegen die drohende Insolvenz. Magna hingegen kann darauf verweisen, schnell auf neue Märkte außerhalb Europas gesetzt zu haben. Magna versuchte zudem, sich nicht mit der Rolle als verlängerte Werkbank zu begnügen, sondern den Autokonzernen auch Entwicklungsarbeit in einem ganz frühen Stadium der Modellentwicklung anzubieten.
Damit konnte man die Hersteller davon überzeugen, dass es billiger ist, ein Auto in Graz bauen zu lassen als im Stammwerk. Der Grund: Magna verfügt über einiges Know-How für Allradantriebe und kann Kapazitätsengpässe schnell ausgleichen.
Wie beim Chrysler 300, der sich besser verkauft, als die Chrysler-Manager gedacht haben. In nur sieben Monaten war die Montage straße fertig. Stronach ist stolz darauf, dass in den Magna-Werken die großen Werkzeuge zum Pressen, Schneiden oder Stanzen von Autoteilen besonders schnell gewechselt werden können. Auch die Qualität scheint zu stimmen: Im letzten Geschäftsbericht ist die Rede vom J. D. Power Gold Plant Quality Award. Das heißt, in Graz gibt es am wenigsten Produktionsfehler von allen Autowerken in Europa.
Magna ist in Österreich mit 14.000 Beschäftigten vertreten, allein in Graz wurden zuletzt knapp 4 Milliarden Euro umgesetzt, wenn auch mit sinkender Tendenz. Das ist rund ein Sechstel des gesamten Konzernumsatzes.
Dass die Magna-Europa-Zentrale in Oberwaltersdorf südlich von Wien steht, ist ein deutliches Zeichen der Wertschätzung von Frank Stronach gegenüber Österreich. Das Herzstück der Produktion ist Magna Steyr in Graz, etliche Werke gibt es noch in der Umgebung der steirischen Landeshauptstadt. Die Magna-Manager wussten die industrielle Substanz und die Voraussetzungen durch die Technische Universität (TU) zu nutzen. Magna, die TU und die Motoren-Entwicklungsschmiede AVL haben Graz zur Hauptstadt der Autoindustrie in Österreich gemacht.
Produktion in Graz sinkt
Und so wird Magna Steyr in Graz mit seismischer Aufmerksamkeit beobachtet. Wann immer einer der Montageaufträge ausläuft, geht ein Raunen durch das Land - auch wenn noch Zeit ist, für Ersatz zu sorgen. 2010 wird der mit 100.000 Stück pro Jahr besonders gewichtige BMW X3 nicht mehr in Graz vom Band rollen, ein Jahr zuvor läuft der Jeep Grand Cherokee aus.
Von BMW soll der neue Mini-Geländewagen kommen, mit 60.000 Stück pro Jahr ist der Auftrag aber kein ausreichender Ersatz. Schon in den letzten Monaten ist die Produktion in Graz gesunken, der Mercedes E Allrad und der auslaufende Chrysler Voyager sind die Ursache. Graz ist das einzige Werk, in dem Magna ganze Autos herstellt, heuer wird er Umsatz weiter sinken und die vier Milliarden Dollar von 2007 sicher nicht erreichen.
Magna beschäftigt in der Produktion rund 4500 Mitarbeiter als Stammpersonal, weitere 1500 werden von Leiharbeitsfirmen engagiert. Diese wissen auch schon lange im Voraus, wann sie sich um einen neuen Job umschauen müssen - möglicherweise wieder bei Magna, wenn ein neuer Auftrag kommt. Bisher ist Magna ohne große Beschäftigungseinbrüche über die Runden gekommen, doch in Westeuropa sind keine großen Wachstumsraten im Autogeschäft mehr absehbar, in Nordamerika auch nicht.
Hoffen auf die Russen
Die Karawane der Autoindustrie und der Zulieferer wandert nach Osten, ist dort aber noch nicht ganz angekommen. Die neuen EU-Mitglieder sowie Russland, Indien und China sind die Märkte, die das große Geschäft verheißen. Die Gesellschaft in diesen Ländern ist im Umbruch, die viel beschworene Mittelschicht - also die Kunden für die Autoindustrie - ist im Aufbau.
Indien gibt sie mit 300 Millionen Menschen an, Russland mit 15 Millionen. Vor allem auf diesen Markt setzen die Magna-Strategen. Russen werden teurere und bessere Autos kaufen als Inder oder Chinesen, wenn die Massenmotorisierung einsetzt, so das Kalkül.
Damit dies aufgeht, soll der neue Magna-Miteigentümer, Oleg Deripaska, sorgen. Ihm gehören die GAZ-Autowerke, die in Nishni Nowgorod den Wolga herstellen. Dies war zu Sowjetzeiten ein Auto für Privilegierte und gilt heute längst als veraltet.
Die russische Autoindustrie braucht dringend neue Modelle. Für die braucht es Zulieferer nach westlichem Standard, und Magna braucht neue Märkte. Der Kreml steht voll hinter der Autoindustrie. Denn sie bietet hohe lokale Wertschöpfung bei hoher Arbeitsplatzintensität und verlangt qualifizierte Mitarbeiter.
Die Autoverkäufe in Russland sollen von derzeit 1,5 Millionen Stück pro Jahr auf 3,5 Millionen im Jahr 2015 steigen. Die heimische Produktion liegt derzeit bei einer Million Autos und soll schon 2010 bei 2,5 Millionen liegen. Die Russland-Dividende dürfte jedoch noch auf sich warten lassen, ebenso wie bei anderen Investoren, die auf die Zukunft des Riesenreiches unter dem Führungstandem von Präsident Dimitri Medwedew und dem voraussichtlichen Regierungschef Wladimir Putin setzen.