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"Magna war Hoffnungsschimmer"

Von Sophia Freynschlag

Wirtschaft
Bedrückte Stimmung unter den Arbeitern beim Schichtwechsel in Aspern. Foto: Pessenlehner

Betriebsrat in Wien überlegt Streik. | Rasche Vorlage eines Zukunfts- konzeptes gefordert. | Wien. Sichtlich bedrückt kommen am Mittwoch um zwei Uhr nachmittags die Arbeiter im Opel-Werk in Wien-Aspern zum Schichtwechsel. Vom geplatzten Opel-Verkauf an Magna haben die Beschäftigten aus den Medien erfahren. "Es ist ein Wahnsinn. Wenige Wochen vor Weihnachten wissen wir nicht, ob wir unsere Arbeitsplätze behalten werden", ist Heinz Reichenpfader besorgt, kurz bevor er an diesem grauen Novembertag das Tor zum Werk passiert. "Wir haben uns alle schon auf Magna als Partner eingestellt. Nun ist wieder alles anders", seufzt der Arbeiter.


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"Magna war für uns ein Hoffnungsschimmer", meint ein Kollege mit beiger Jacke und Rucksack, der lieber anonym bleiben will. "Wir Mitarbeiter müssen das hinnehmen, was kommt", sagt der Arbeiter, der nach einem Jahr nervenaufreibendem Hin und Her um die Zukunft von Opel resigniert hat - so wie viele andere der 1800 Beschäftigten am Standort.

"Die Stimmung in der Arbeit war heute unverändert, denn wir leben schon seit einem Jahr in Ungewissheit. Jetzt müssen wir eben abwarten", sagt eine Arbeiterin, kurz bevor sie zu ihren Kollegen in den Bus steigt, der sie nach der Schicht nach Hause bringt.

Aushängeschild von GM

Für die meisten Mitarbeiter in Aspern war der Rückzieher von GM eine Überraschung. Einige haben aber nach dem langen Tauziehen um Opel schon vermutet, dass GM die Automarke behalten wird. "Der Vertrag war nie ganz fix, GM hat die ganze Zeit über die Fäden gezogen", sagt Robert Kosturek.

Der Arbeiter hofft nun, dass das Werk in Aspern als "Aushängeschild" nicht so stark von Kürzungen betroffen sein wird: "Wir sind die, die Opel in letzter Zeit das Geld hereingebracht haben", ist er überzeugt. Seit 1982 werden im Wiener Werk Motoren und Getriebe für GM hergestellt, es ist das weltweit größte Motoren- und Getriebewerk von GM. Im Vorjahr wurden rund eine Million Motoren und Getriebe erzeugt.

Wien-Aspern gilt als sehr modernes Werk. "Das Werk in Aspern ist gut positioniert, weil vor allem sparsame Motoren für Kleinwagen produziert werden", sagt Elisabeth Schuller, Pressesprecherin von General Motors Powertrain. "Seit dieser Woche wird die neue Motorengeneration für den Opel Astra produziert, ab Dezember dann die Turbomotoren", so Schuller. Die Auslastung sei derzeit "sehr gut". In zwei Bereichen wurde die von Jänner bis Mai 2009 vorgesehene Kurzarbeit schon im März beendet, weil durch die Verschrottungsprämie mehr Autos gekauft wurden.

Die Verunsicherung in der Belegschaft sei dennoch groß, berichtet Arbeiterbetriebsrätin Renate Blauensteiner: "Die Auswirkungen auf unser Werk sind nicht klar." Der Betriebsrat überlegt Streiks - dazu werde es eine Betriebsratssitzung geben, so Blauensteiner.

"Aspern nicht gefährdet"

Rudolf Hamp, Generaldirektor des GM-Werks in Wien-Aspern, zeigt sich zuversichtlich, was den Weiterbestand des Werks anbelangt: General Motors Powertrain "wird weiterhin eine wichtige Rolle bei den globalen Geschäften für Opel/Vauxhall in Europa spielen", teilte er am Mittwoch mit.

Auch Experten sehen den Fortbestand des Werks nicht gefährdet, sie rechnen aber mit Einsparungen. Die Verantwortlichen in Wien haben "einen guten Job gemacht", sagt Wilfried Sihn, Leiter der Fraunhofer Austria Research GmbH. Am Prüfstand stehen laut Sihn Standorte in Deutschland, Belgien und Großbritannien. Ein anderer Experte rechnet auch nicht mit einer Schließung, erwartet aber "Maßnahmen zur Steigerung der Produktivität". Die Einschnitte könnten tiefer sein als mit Magna als Eigentümer, da es weniger Verbundenheit mit Österreich und so "weniger Emotion" zum Standort Wien gebe.

Auch österreichische Politiker sind trotz des geplatzten Verkaufs optimistisch für den Fortbestand des Zulieferwerks in Aspern. Im Produktionsvergleich sei das Werk "seit Jahren" das beste in Europa, sagt Leo Szemeliker, Sprecher von Bundeskanzler Faymann. Im Büro von Wiens Bürgermeister Michael Häupl rechnet man nicht mit negativen Auswirkungen auf die heimische GM-Niederlassung.

Auch Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner rechnet mit keinen negativen Folgen für Aspern aufgrund der überraschenden Wende von Opel. Er kritisiert aber, dass durch die nun gescheiterten Verhandlungen mit Magna ein Jahr wertvolle Zeit verloren wurde. Er erwarte jetzt "die rasche Vorlage eines tragfähigen Zukunftskonzepts für Opel Europa" - und "die Beendigung des Pokerspiels um Finanzierungsmittel der beteiligten Standorte."