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Mahnungen an Athen

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Bei der Einrichtung von Aufnahmestellen für Flüchtlinge kann Griechenland nur Teilerfolge aufweisen.


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Brüssel. Auch kleine Erfolge können erfreuen. Sie müssen es auch. Denn bei der Suche nach Lösungen in der Flüchtlingskrise ist die EU bisher weit davon entfernt, einen größer angelegten Plan umzusetzen. Eines der Ziele ist es, bis 2017 an die 160.000 Asylwerber, die in Italien und Griechenland eingereist sind, innerhalb der gesamten Union umzusiedeln. Bisher ist das aber erst im Fall von nicht einmal 500 Schutzsuchenden gelungen - während sich weiterhin tausende Menschen auf den Weg nach Europa machen. Allein in Österreich wurden im Vorjahr rund 90.000 Anträge auf Asyl gestellt.

Aber immerhin, und das freut den für Migration zuständigen EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos, gebe es Fortschritte bei der Registrierung der Flüchtlinge. Von einem "spektakulären Anstieg" gar sprach der Politiker, als er bei einer Pressekonferenz in Brüssel eine Zwischenbilanz zog. Denn in Italien schaffen es die Behörden mittlerweile, 87 Prozent der Ankommenden die Fingerabdrücke abzunehmen, und in Griechenland liege der Prozentsatz bei 78. Im September des Vorjahres wurde dort nicht einmal jeder zehnte Schutzsuchende auf diese Weise registriert.

Die Dokumentation der persönlichen Angaben und deren Vergleich mit anderen Datenbanken ist jedoch eine wichtige Voraussetzung für das Funktionieren der sogenannten Hotspots, der Aufnahmezentren, die in den beiden Mittelmeer-Anrainerstaaten errichtet werden sollen. Und die Hotspots wiederum - von denen erst ein Viertel einsatzbereit ist - bilden die Basis für die Umverteilungspläne in der EU. Parallel dazu soll der Schutz der EU-Außengrenzen verstärkt und die Abschiebung von Menschen, die kein Recht auf Asyl haben, erleichtert werden. Erst wenn all diese Maßnahmen ineinander greifen, rückt der europäische Lösungsansatz in Sichtweite.

Die Umsetzung gestaltet sich aber schwierig; und der EU-Kommission bleibt nicht viel anderes über, als die Mitgliedstaaten zu dem zu drängen, was diese selbst mit beschlossen haben. So verschickte die Brüsseler Behörde zum wiederholten Mal Mahnbriefe an die Regierungen. Gegen einige Länder - unter anderem Deutschland, Frankreich oder Slowenien - hat sie auch schon Prüfverfahren wegen möglicher Verletzung von EU-Regeln im Asylwesen eingeleitet.

Österreichs Kontingent kleiner

Andererseits will sie die Situation bestimmter Staaten nicht völlig unberücksichtigt lassen. So hat sie zugestimmt, die Zahl der Flüchtlinge, die Österreich laut den EU-Verteilungsplänen zu versorgen hätte, um 30 Prozent zu reduzieren. Befristet ist diese Ausnahme auf ein Jahr - ähnlich wie in Schweden, wo die Regierung ebenfalls um eine Aussetzung der Regelung ersucht hat. Von den 160.000 zu schaffenden Aufnahmeplätzen wären knapp zwei tausend auf Österreich entfallen, wobei sich das Land nicht an allen Kontingenten beteiligt.

Auch auf finanzielle Unterstützung für die Mitgliedstaaten verweist die Kommission gern. Das EU-Budget soll heuer um knapp 190 Millionen Euro aufgestockt werden, und bis zum Jahr 2020 stehen rund 8,4 Milliarden Euro aus dem Fonds für Asyl, Migration und Integration sowie anderen Töpfen zur Verfügung.

Allerdings wünschen sich manche Länder weitergehende Zugeständnisse. So hat der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) mehr Finanzmittel aus anderen EU-Fördertöpfen verlangt, und aus mehreren Hauptstädten kommt die Forderung, die Ausgaben für Flüchtlingshilfe nicht in die Berechnung des nationalen Budgetdefizits einfließen zu lassen. Diese Debatte könnten die Finanzminister der EU bei ihren Sitzungen heute, Donnerstag, und am morgigen Freitag fortführen. In einer Woche werden sich dann die Staats- und Regierungschefs der Union bei ihrem Gipfeltreffen mit dem Thema Migration befassen.

In der Zwischenzeit wird der Druck vor allem auf ein Mitgliedsland kaum nachlassen: Griechenland soll nicht nur bei der Einrichtung der Hotspots mehr Anstrengungen unternehmen, sondern auch beim Grenzschutz. Sollte das nicht gewährleistet sein, steht sogar die Drohung eines Ausschlusses des Landes aus der Schengen-Zone für Reisen ohne Passkontrollen im Raum.

Umstrittener Nato-Einsatz

Die Regierung in Athen hat drei Monate Zeit, die Mängel zu beheben. Doch gibt sie gleichzeitig die Vorwürfe zurück: Nicht sie würde die EU-Hilfe ablehnen, sondern diese würde ausbleiben. So seien weder alle angeforderten Experten noch die nötigen Geräte eingetroffen. Nicht in Frage kommt für Griechenland hingegen ein möglicher Marine-Einsatz der Nato gegen Schlepperbanden in der Ägäis, zu dem etwa Deutschland schon Bereitschaft signalisiert hat. Athen ist dagegen, und auch die EU-Kommission zeigt sich zurückhaltend. Überlegungen zu einem solchen Einsatz stünden derzeit nicht auf der Agenda, erklärte Avramopoulos.

Unterdessen sind bei den jüngsten Kämpfen in der syrischen Region Aleppo nach Schätzungen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) rund 50.000 Menschen in die Flucht getrieben worden.