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Bienen als Herrenvolk: Die "Hunnenrede" im Erfolgs-Kinderbuch, gehalten von der Bienenkönigin. | Waldemar Bonsels passte sich NSDAP an. | Wien. Das muss ein Schock für den Erfolgsautor der Zwischenkriegszeit gewesen sein: 1933 verbrennt die nationalsozialistische Deutsche Studentenschaft im Rahmen der "Aktion wider den undeutschen Geist" die Bücher von Waldemar Bonsels.
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Der Schriftsteller ist weder Jude noch Kommunist, und sein Hauptthema, die Befreiung von bürgerlichen Konventionen, läuft der nationalsozialistischen Ideologie nicht gar so zuwider. Immerhin ist auch der norwegische Autor Knut Hamsun äußerst willkommen - und er schreibt über eine ähnliche Problematik. Doch in den Augen der Nationalsozialisten gibt es einen Unterschied: Hamsuns Helden brechen mit den Konventionen, weil sie sich als höhere Menschen empfinden, während Bonsels verweichlichter Psychologisierung geziehen wird.
Bonsels Reaktion: Er passt sich an. Inwieweit er dafür von seinem Gedankengut abrücken musste, erforscht Literaturwissenschafter Sven Hanuschek von der Ludwig-Maximilians-Universität München, wobei ihn die Frage leitet, ob die Wiederentdeckung eines Autors betrieben werden soll, dessen Bücher völlig in der Versenkung verschwunden sind. Mit einer Ausnahme: "Die Biene Maja", bekannt durch die Fernseh-Zeichentrickserie mit dem von Karel Gott gesungenen Titellied.
Maja und der faule Willi sind Kindern und Erwachsenen des deutschen Sprachraums ein Begriff. Ausgerechnet die "Biene Maja" aber war eines von nur drei Büchern des Vielschreibers Bonsels, das 1933 nicht verbrannt wurde. (Die beiden anderen waren die "Biene Maja"-Fortsetzung "Himmelsvolk" und die auf eigenen Erlebnissen beruhende nicht-fiktionale "Indienfahrt").
Völkische Bienen
Dass die Nationalsozialisten selbst in einer Zeit, als sie Bonsels noch weitgehend ablehnend gegenüberstanden, das Bienen-Buch gelten ließen, hat einen Grund: Am 27. Juli 1900 hielt der deutsche Kaiser Wilhelm II. in Bremerhaven bei der Verabschiedung des deutschen Ostasiatischen Expeditionskorps zur Niederschlagung des Boxeraufstandes in China die sogenannte "Hunnenrede", in der er deutsche Herrschaftsansprüche legitimierte und die deutschen Soldaten zu Menschenrechtsverletzungen aufforderte. Beim Kampf zwischen Bienen und Hornissen in "Biene Maja" verwendet Bonsels in der Ansprache der Bienenkönigin diese "Hunnenrede" - zum Teil sogar wörtlich. An Ironie glaubt Hanuschek nicht, er sieht das letzte Kapitel des 1912 veröffentlichten Buchs als "völkisch".
Zumal Bonsels sich später den Nationalsozialisten nicht nur anbiederte, um unbehelligt seinem Schaffen nachgehen zu können, sondern deren Ideologie zu seiner eigenen machte. Bis 1935 standen Bücher des Autors auf dem Index. Deshalb wollte er wohl, um uneingeschränkt veröffentlichen zu können, beweisen, welch guter Antisemit er sei.
Ein Paradebeispiel ist der Roman "Dositos" (1942). Bonsels veröffentlichte ihn als Privatdruck in einer Auflage von 100 Exemplaren, die er mit persönlicher Signatur an Freunde und NS-Größen verteilte. Im Vorwort zu diesem Buch, von dem sich Bonsels eine antisemitische Wirkung erhofft, schreibt der Autor: "Der gewaltige und gewaltsame Anstoß, der auch auf diesem Gebiet durch Adolf Hitler in die Welt getragen worden ist, erschütterte nicht nur das Judentum, sondern naturgemäß zugleich alles, was in der christlichen Kirche am Judentum krankt". Die Nachkriegs-Neuauflage, jetzt 20.000 Bände stark, ist von den antisemitischen Auswüchsen des Originals freilich gereinigt.
Mittlerweile will auch die Waldemar-Bonsels-Stiftung klären, wie es um die Verstrickung des Schriftstellers in Nationalsozialismus und Antisemitismus bestellt ist, sagt der heutige Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Ralf Kirberg. Rosemarie Bonsels, die Witwe des Autors, hat laut Hanuschek diese Arbeit jahrelang blockiert.
Im Anhang eine Gegenüberstellung von Zitaten aus dem 16. Kapitel von "Die Biene Maja" und der sogenannten "Hunnenrede" Kaiser Wilhelm II. vom 27. Juli 1900.
"Laßt die Räuber eindringen, einen nach dem andern, bis ihr meinen Befehl hört, dann stürzen die ersten Reihen, je hundert zugleich, sich auf die Eingedrungenen, und die hinteren Reihen decken den Eingang. Auf diese Art teilen wir die Streitmacht des Feindes. Bedenkt ihr Ersten, von eurer Kraft und Ausdauer und von eurem Mut hängt das Wohl des ganzen Staates ab. Eine große Aufgabe harrt eurer: ihr sollt das schwere Unrecht, das geschehen ist, sühnen. *
"Wir Bienen liefern die Toten aus, wenn ihr sie mit euch nehmen wollt. Gefangene sind nicht gemacht. Gefangene werden nicht gemacht. *
Die Euren, die eingedrungen sind, sind alle tot. Euerm Versprechen, nicht wiederzukommen, glauben wir nicht. Ihr könnt wiederkommen, wann ihr wollt, es wird euch niemals besser gehen als heute, und wenn ihr jetzt fortkämpfen wollt, so findet ihr uns bis auf den letzten Mann bereit." Führt eure Waffen so, daß auf tausend Jahre hinaus kein Chinese mehr es wagt, einen Deutschen scheel anzusehen. Wahrt Manneszucht. *"Wir sind wohl stärker und mächtiger, aber das Volk der Bienen ist einig und treu. Das ist eine große Macht, der niemand widerstehen kann. Keine würde ihr Volk verraten, jede dient zuerst dem Wohl aller." Große überseeische Aufgaben sind es, die dem neu entstandenen Deutschen Reiche zugefallen sind, Aufgaben weit größer, als viele Meiner Landsleute es erwartet haben. Das Deutsche Reich hat seinem Charakter nach die Verpflichtung, seinen Bürgern, sofern diese im Ausland bedrängt werden, beizustehen