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Maliki fordert Luftschläge - und steht selbst auf der Abschussliste

Von Michael Schmölzer

Politik

Washington sieht Premier als Haupthindernis für Lösung im Irak - Obama schickt 300 Militärberater in den Irak.


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Bagdad/Washington. Nuri al-Maliki hat die USA offiziell um Luftunterstützung gegen die Isis-Rebellen gebeten - doch Washington nimmt stattdessen den irakischen Premier selbst ins Visier. Es besteht kein Zweifel daran, dass US-Präsident Barack Obama Maliki die Hauptschuld für die desaströsen Entwicklungen in seinem Land zuweist. Obama wirft dem Schiiten vor, keinen Ausgleich zwischen den einzelnen Volksgruppen geschaffen zu haben. Der diskriminierende Umgang Malikis mit den Sunniten habe die jetzigen Probleme geschaffen, so die Analyse.

Konkret ist die Bildung einer neuen Regierung der nationalen Einheit, in der auch Sunniten einen Platz haben sollen, das Gebot der Stunde. US-Vizepräsident Joe Biden fordert das in direkten Telefongesprächen mit Maliki, doch der ist dazu nicht bereit. Außenminister John Kerry ging deshalb zuletzt ganz deutlich auf Distanz zu dem ungeliebten Partner aus der Bush-Ära. Es gehe gar nicht darum, Maliki zu helfen sondern den Irakern, so Kerry. Immer zahlreicher werden die Stimmen, die das politische Ende Malikis fordern. In Saudi-Arabien, Katar - und im Umfeld Obamas: "Die Regierung im Irak hat nie ihre Versprechungen erfüllt, eine Einheitsregierung (. . .) zu schaffen", so US-Verteidigungsminister Chuck Hagel deutlich resignativ.

Doch der amtierende irakische Premier ist schwer von der Macht zu trennen. Immerhin wurde er erst vor wenigen Wochen wiedergewählt, schon allein deshalb kann er von Washington nicht so einfach abgesetzt werden. Dass Maliki die Sunniten in Irak aufwertet und Isis so das Fundament entzieht, ist aber auch nicht zu
erwarten. Im Irak gilt, dass der eine über den anderen herrscht - der Proporz im westlichen Sinn ist ein wenig verbreiteter Gedanke.

Im Weißen Haus ist man ganz klar der Ansicht, dass ein Militärschlag gegen die Isis ohne politische Lösung der Grundprobleme im Irak nicht zielführend ist. Trotzdem hat Obama am Donnerstag bekannt gegeben, dass er 300 Militärberater in den Irak schicken will. Diese sollen die irakischen Streikkräfte trainieren und Informationen sammeln. Er unterstrich, dass es sich dabei nicht um Kampftruppen handle. Gleichzeitig ließ sich Obama eine Türe offen, um das militärische Engagement der USA auszuweiten. Washington will auf keinen Fall zulassen, dass der Irak ein sicheres Rückzugsgebiet für Terroristen wird. Luftschläge kommen für das Pentagon derzeit nicht in Frage. Die Lage sei zu verworren, die Gefahr zu groß, dass es zivile Opfer gebe, heißt es hier.

Unterdessen droht sich der Konflikt zu einer Konfrontation zwischen den regionalen Großmächten Iran und Saudi-Arabien auszuweiten. Irans Präsident Hassan Rohani kündigte an, sein Land wolle die "heiligen Stätten" der Schiiten im Nachbarland schützen. Es hätten sich zahlreiche Freiwillige gemeldet, um "die Terroristen in ihre Schranken zu weisen". Der saudi-arabische Außenminister Saud al-Faisal warnte kurz darauf vor einer "Einmischung von außen", ohne ausdrücklich Bezug auf den Iran zu nehmen. Der Iran ist die regionale Schutzmacht der Schiiten, die die Bevölkerungsmehrheit im Irak stellen, Saudi-Arabien die der Sunniten. Eigentlich schienen beide Staaten zuletzt daran interessiert, nach Wegen zu einer Überwindung ihrer langjährigen Rivalität zu suchen, das ist jetzt zumindest in Frage gestellt.

Die Frage ist, ab welchem Zeitpunkt sich die USA zu einem militärischen Eingreifen entschließen werden. Möglicherweise erst dann, wenn die Isis die Kontrolle über das gesamte Land haben. Ein US-Regierungsvertreter, der namentlich nicht genannt werden wollte, räumte jedenfalls ein, dass vom Flugzeugträger "USS George H.W. Bush" aus bereits Aufklärungsflüge mit Kampfjets über dem Irak geflogen würden. Offiziell halten sich die USA nach wie vor alle Optionen offen.

Fraglich ist, ob Isis in den schiitisch dominierten Gebieten des Irak Fuß fassen kann. Derzeit sieht es noch nicht danach aus.

Nach heftigen Kämpfen hat gestern offenbar wieder das Militär die Kontrolle über die größte Ölraffinerie des Irak übernommen. Die Raffinerie Baiji, 200 Kilometer nördlich von Bagdad, ist zuvor kurzfristig in den Händen der Isis-Terroristen gewesen. In Baiji befindet sich auch ein Elektrizitätswerk, von dem aus Bagdad mit Strom versorgt wird. Schon deshalb versucht Isis weiter, das Gelände zu erobern.