In den USA heißen sie "Mompreneurs": Junge Mütter, die sich - statt in den alten Job zurückzukehren - selbständig machen. Das "Wiener Journal" hat zwei Mütter-Unternehmen in Wien besucht und dabei festgestellt, dass die Kombination von Firma und Familie offenbar glücklich macht.
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Junge Mütter und Jungunternehmer schlafen nicht viel: Die einen werden von ihren Kleinen aus den Träumen gerissen, wenn diese Hunger oder Angst vor einem Gewitter haben. Die anderen werden von ihren Träumen aus dem Schlaf gerissen - denn wer ein Geschäft startet, plant, rechnet und arbeitet die Nächte durch.
Viktoria Wallner, Katharina Sigari, Isabelle Spiegelfeld Oliveira und ihre Kolleginnen kennen beides sehr gut: Kinder, die Zeit von ihren Mamis fordern - und Jobs, die Einsatz von ihnen fordern. Sie sind Mütter und Unternehmerinnen und: Sie finden es herrlich.
"Ich habe viele Nächte durchgemacht, das sich aber jetzt gebessert. Aber man macht die Arbeit für sich selbst - da nimmt man sehr viel in Kauf", erklärt Viktoria Wallner. Ihre eigene Chefin zu sein ist ihr wichtig - auch für das Familienleben: "Wenn Du jeden Tag bis sechs im Büro sitzen müsstest und weißt, da draußen sitzen zwei Kinder, die auf dich warten - dann ist der Drang in die Selbständigkeit schon sehr groß."
Die 33-jährige Mutter zweier Kinder hat im vergangenen Jahr mit Stefanie und Valerie Trauttmansdorff den Internet-Shop "Mothergoose" gegründet. Die Homepage ist seit Dezember online und bietet traditionelles Spielzeug wie große Puppenhäuser, bunte Rennautos und Teeservices oder süße Kleider und witzige T-Shirts: "Wir wollen weg von den kurzlebigen Plastikdingen, sondern zurück zu den schönen Dingen, die man selbst als Kind hatte oder gern gehabt hätte." Als junge Mutter hat Viktoria Wallner gemerkt, dass man sehr wenig Zeit hat, um Geschenke für Taufen und Kinderfeste oder Gewand für das eigene Baby zu besorgen. Und weil man viel Zeit zu Hause verbringt, surft man eben im Internet, um die Einkäufe zu erledigen. Bis zur Geschäftsidee war es dann nicht mehr weit.
Zeit zum Eisessen. In einem weitläufigen Loft in Mariahilf ist das Headquarter der "Mothergeese" - hier arbeitet das Dreierteam schon länger als "Decorartist": Die drei jungen Frauen organisieren Feste und sorgen für die richtige Dekoration vor Ort. Hier ist auch der "Mothergoose"-Showroom zuhause, in dem sich Neugierige die Produkte des Webshops live ansehen können. Viktoria Wallners Kinder lieben es, in dieses Spielzeugparadies zu kommen: "Sie haben sich wirklich noch nie beschwert, wenn ich sie mitgenommen habe", erzählt Viktoria lachend: "Meine Kinder fühlen sich für unser Unternehmen fast verantwortlich. Sie machen bei Fotoshootings mit und erkennen als erste, wenn etwas neu im Showroom ist." Die vierjährige Violetta fragt oft: "Mami, was gibt´s denn heute in unserem Geschäft?" Wenn sie und ihr Bruder sich auf die neuen Spielsachen stürzen, "erkennen wir sofort, was unsere besten Produkte sind." Violetta und der sechsjährige Antonius kennen ihre Mutter nur als Unternehmerin: "Die beiden wissen sehr viel von meinem Beruf. Von einem klassischen Büroleben würde ich ihnen vielleicht gar nicht so viel erzählen, weil sie nichts damit zu tun haben. So nehme ich sie oft mit zu Dekorationsaufträgen oder wir verpacken gemeinsam Bestellungen."
Und dann gibt es noch einen nicht zu unterschätzenden Vorteil, den Mutter und Kinder genießen: "Ein Onlineshop hat keine Öffnungszeiten." Also kann ein sonniger Nachmittag, an dem es etwas ruhiger zugeht, für einen Ausflug in den Park oder zum Eisessen genützt werden. "Dafür muss man dann manche Sachen am Abend machen. Aber die macht man auch gerne. Man kann alles gut unter Dach und Fach bringen. Das Einteilen ist eigentlich das Schönste", schwärmt Viktoria Wallner. Sie ist absolut überzeugt von ihrem Lebensmodell: "Ich würde nie tauschen. Es gibt Zeiten, wo viel los ist, aber wenn man das überstanden hat, ist man stolz darauf."
Mom + Entrepreneur = Mompreneur. Junge Mütter, die sich selbständig machen - in den USA hat man dafür bereits vor Jahren einen Namen gefunden: "Mompreneurs", so heißt auch das Standardwerk von Ellen Parlapiano und Patricia Cobe: "A Mothers Practical Step-by-Step Guide to Work-at-Home Success" (über Amazon erhältlich). Die Autorinnen haben bereits 1996 ein Bedürfnis junger Mütter erkannt: Diese befinden sich häufig im Zwiespalt, bei ihren kleinen Kindern bleiben zu wollen, aber trotzdem beruflich erfolgreich und unabhängig zu sein. Die Selbständigkeit ist für dieses Lebensmodell oft ideal. Auf www.mompreneursonline.com kann man mehr über das Buch und die Idee dahinter erfahren. Dass dieser Trend mittlerweile schon längst auch in Österreich angekommen ist, zeigt sich an diversen Plattformen: www.business-mamas.com etwa ist ein heimisches Internet-Frauennetzwerk: Hier können sich Mutter-Unternehmerinnen präsentieren, informieren und mit anderen austauschen.
Einteilung ist alles. Ein richtiges Mütter-Netzwerk sind auch "Good Friends": In dem kleinen Geschäft auf der Liechtensteinstraße arbeiten vier junge Mütter - allerdings niemals gleichzeitig. Die Jungunternehmerinnen haben sich eine clevere Arbeitsaufteilung überlegt: Jede vertreibt ihre eigenen Produkte, im Geschäft steht jede einzelne allerdings nur eineinhalb Tage pro Woche. Der Rest der Zeit gehört der Familie und einem selbst. Katharina Sigari, Isabelle Spiegelfeld Oliveira, Nicole Hausner und Marina Lippitt hatten die unterschiedlichsten Geschäftsideen - von feiner Babywäsche über außergewöhnliche Wohnaccessoires bis zu handgefertigten Duftsäckchen. Nun vereinen sie die alle in einem Geschäft, haben trotzdem genug Freizeit und sind gerade dabei, eine richtige "Mini-Kaufhaus-Kette" zu gründen.
Heute steht Katharina Sigari im Geschäft. Es ist Montag, ihr Tag. Im kleinen Laden gegenüber dem Lycée francais geht es heute ruhig zu. Gerade hat eine Kundin eine Pinnwand gekauft, von Sigaris Partnerinnen "Magnolia Living". Die Pinnwand landet im "Magnolia"-Sackerl, auf die Rechnung kommt der dazugehörige Stempel: "Wir haben drei Kassablocks, vier Stempel, die Rechung wird gleich geschrieben und die Beträge werden am Abend aufgeteilt", erklärt Katharina Sigari das System: "Das klingt zwar mühsam, ist es aber gar nicht. Es ist wichtig: Jeder hat ja seine eigene Firma."
Die Wienerin hat schon vor mehreren Jahren ihr Label "Cujulu" gegründet: Sie entwirft Bettwäsche, Pyjamas und Nachthemden für Babys, Kleinkinder und mittlerweile auch Erwachsene und lässt diese aus italienischen Hemdenstoffen nähen. Als ihre Tochter Lilly zwei Jahre alt war, begann sie mit Homesales: "Das war ungleich anstrengender als jetzt, es hatte null Regelmäßigkeit", erzählt Katharina Sigari, die dafür meist die eigene Wohnung ausräumte. Also hat sich Katharina Sigari mit Nicole Hausner und Isabelle Spiegelfeld zusammengetan, die sich bereits mit ihrem Einrichtungslabel "Magnolia Living" selbständig gemacht hatten. Dazu kam noch Marina Lippitt: Ihre Firma "Hopper & Hawkes" vernetzt Therapie-Werkstätten für behinderte Menschen, die handbestickte Lavendelsäckchen und Montessori-Spielzeug herstellen.
Vier junge Mütter, drei Unternehmen - fertig waren die "Good Friends". Zu dem Namen kamen die Jungunternehmerinnen durch Zufall: Das leerstehende Geschäft am Alsergrund, das sie schon die längste Zeit im Visier hatten, hieß bereits "Good Friends", darin war früher eine gleichnamige Druckerei.
Großes Netzwerk. Nun wollen die vier Mütter ihren Freundeskreis erweitern: Nach den ersten Medienberichten über die Geschäftsidee riefen immer wieder junge Frauen an, die bei "Good Friends" mitmachen wollten. Da der Platz im kleinen Laden aber begrenzt ist, entstand die Idee, diese Anwärterinnen miteinander zu verkuppeln. Denn drei oder vier Geschäftsideen ergeben schon wieder einen neuen Laden, der dann auch unter "Good Friends" firmieren soll: "Für Mütter ist das die ideale Arbeitsform, keine von uns könnte jeden Tag bis 18 Uhr im Geschäft stehen." Bei der Betreuung der neuen Partner-Unternehmen kommen den vier Müttern ihre alten Jobs zugute: Juristin Katharina Sigari, die früher in einer Anwaltskanzlei tätig war, kümmert sich um die rechtlichen Belange und Vertragsabschlüsse: "Es gibt ja schon immer Zoffpotenzial. Wenn alles vertraglich geregelt ist, gibt´s auch keinen Streit." Nicole Hausner, ehemalige Personalchefin, betreut die Zusammenarbeit der einzelnen Geschäftspartner. Betriebswirtin Isabelle Spiegelfeld Oliveira steht für PR und Buchhaltung zur Verfügung und Marina Lippitt unterstützt mit der Vermittlung verschiedenster Spezialisten - vom Maler bis zum Elektriker.
Die "Good Friends" können ihr Modell jedenfalls nur empfehlen: "Es ist lebbar", meint Katharina Sigari: "Und du strudelst dich nicht tagtäglich zwischen Büro und Kindergarten ab!" Und auch wenn ihre vierjährige Tochter Lilly manchmal meint: "Mami, geh nicht mehr ins Geschäft", findet die Kleine es doch toll, dass ihre Mutter einen Laden voller Spielsachen hat.
Zukunftspläne für das Frauen-Netzwerk? Viele Tochter-Unternehmen und endlich auch Söhne: "Wir vier haben fünf Töchter! Irgendwer von uns muss jetzt einmal einen Buben kriegen, sonst schaut das absichtlich aus!"
info
MOTHERGOOSE.
Onlineshop: www.mothergoose.at
Showroom: 1060, Mollardgasse 85A,
Stiege 1, Top 10-15
Nur nach telefonischer Voranmeldung:
+43 (0) 676 9125606 (wochentags von 12 Uhr bis 18 Uhr)
+++ GOOD FRIENDS.
1090, Liechtensteinstraße 32-34
www.cujulu.at, www.magnolialiving.at, www.hopper-hawkes.at
Bei Interesse am Unternehmer-Netzwerk: www.good-friends.at