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Silvio Berlusconis privates "Bunga-Bunga" taugt für das Kabarett, als politische Strategie pervertierte es das Parlament zum ergebenen Diener.
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Die Ära Silvio Berlusconi ist aus, aber längst nicht ausgestanden. Moralisten fänden beispielsweise in dem zwei Jahrtausende alten "Gastmahl Trimalchios" von Petronius passende Parallelen. Dieser klassisch Neureiche vergnügte sich bei seinem antiken "Bung-Bunga" mit Lustknaben, wogegen Berlusconi seinen Bedarf an Callgirls mit "besser als schwul" bewertete. Ein Freund schimpfte Trimalchio einen "geilen Hund". Hingegen wollen Verhaltensforscher herausgefunden haben, dass Italiens Männer Berlusconi ob seiner kostspieligen Schürzenjagd beneiden bis bewundern. Daher heißt Berlusconis Partei passend "Volk der Freiheit".
Nicht ausgestanden sind Berlusconis Prozesse wegen Steuerbetrugs, Amtsmissbrauchs, Korruption und Sex mit Minderjährigen. Anscheinend billigt ihm nur sein eiserner Anhang die Unschuldsvermutung zu. Jetzt ist das Katz-und-Maus-Spiel mit der Justiz vorbei: keine Gefälligkeitsgesetze mehr zum Schutz vor Strafe, kein trickreiches Verschleppen von Verfahren bis zur Verjährung.
Genau darin offenbart sich die Entmoralisierung der italienischen Politik als verheerende Hypothek. Einige Beispiele:
Das Parlament spielte mit, als es ausländische Amtshilfe zu Lasten Berlusconis mit dem Trick sabotierte, dass beglaubigte Originaldokumente statt Computerausdrucke vorzulegen seien - im elektronischen Zeitalter eine Unmöglichkeit.
Berlusconi erhielt im Jahr 1997 für Bilanzfälschung 16 Monate Haft, verschleppte aber die Sache bis zur Amnestie im Jahr 2001.
Das Parlament halbierte die Verjährungsfristen für bestimmte Wirtschaftsvergehen und stufte diese zu "Ordnungswidrigkeiten" herunter, um Berlusconi aus der Schlinge zu helfen. Zum Glück kippte das Höchstgericht den parlamentarischen Freundschaftsdienst.
Zum Schutz von Berlusconis Milliarden strich das Parlament die Erbschaftssteuer und erließ eine Amnestie für im Ausland geparktes Schwarzgeld - jenes von Mafiosi und Terroristen ausgenommen. Die Geldwäscher rieben sich vor Vergnügen die Hände.
Italiens Parlamentarier sind Diäten-Weltmeister. Jüngst verzichteten sie aber auf monatlich 1000 Euro als Beitrag zum Abbau der 1,52 Billionen Euro Staatsschulden. Also müssen sie mit annähernd 13.000 Euro monatlich auskommen - zuzüglich Freifahrten in Zügen und Flugzeugen, jährlich je 50.000 Euro für eine Zweitwohnung in Rom und Büropersonal, das in Italien "Aktentaschenträger" heißt.
Was Wunder, dass Mammon der Moral die Augen zudrückt und politisches "Bunga-Bunga" fördert: Gefälligkeitsgesetze zu Berlusconis Vorteil, der 51 Mal die Vertrauensfrage und daher "seine" Parlamentarier vor die Wahl zwischen Freundschaft und Privilegienverlust stellte.
Im Juli schimpfte Berlusconi Italien "ein Scheißland, das mich anekelt". Das beschreibt seine polit-moralische Hinterlassenschaft genau. Dagegen nimmt sich fast noch harmlos aus, was zehntausende Römer bei Berlusconis Spießrutenfahrt zur Rücktrittserklärung bei Präsident Giorgio Napolitano skandierten: "Buffone" - Megakasperl.