VfGH klagt über Mehrbelastung, vier Zusatz-Sessionen. | Evaluierung steht nach wie vor aus. | Wien.31.368 - das ist die Zahl der mit Ende September unerledigten Asylverfahren in erster und zweiter Instanz. Wer immer in der nächsten Legislaturperiode das Amt des Innenministers bekleiden wird, eine Auseinandersetzung mit dem Thema Asyl wird ihm wohl nicht erspart bleiben. Denn erst am Donnerstag hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) angekündigt, dass er zusätzlich zu den bestehenden Sessionen vier mehrtägige Zwischensessionen abhalten wird. Der Grund ist schlicht Überlastung: Vom 1. Juli, als der Asylgerichtshof (AsylGH) seine Arbeit aufgenommen hat, bis Donnerstag sind 518 Beschwerden gegen Entscheidungen des AsylGH beim VfGH eingegangen.
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Der Reihe nach: In einer Marathonsitzung im Dezember 2007 beschloss das Parlament mit Zweidrittelmehrheit die Einrichtung des AsylGH per Verfassungsgesetz. Der neue Gerichtshof ersetzt die bisherige zweite Instanz im Asylverfahren, den Unabhängigen Bundesasylsenat (Ubas). Darüber hinaus sind dort Richter tätig und nicht Verwaltungsbeamte. Laut Gesetzgeber sollte dies die Rechtssicherheit verbessern.
Grundsatzentscheidung als Aufgabe des VwGH
Allerdings: Während Asylwerber früher die Möglichkeit hatten, gegen Bescheide des Ubas - je nachdem, was beanstandet wurde - beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH) oder beim VfGH Beschwerde einzulegen, ist der Weg zum VwGH nun gestrichen. Alle Beschwerden landen nun beim VfGH.
Eine Rolle ist dem VwGH aber geblieben: Immer dann, wenn ein Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung für die Rechtssprechung des AsylGH ist, kann der Richtersenat dem VwGH eine sogenannte Grundsatzentscheidung vorlegen. Auch der Innenminister kann aufgrund eines AsylGH-Urteils eine Grundsatzentscheidung beantragen. In beiden Fällen hat der VwGH sechs Monate Zeit, die Entscheidung abzuändern, sonst gilt sie als verbindlich.
Die Kritik an der Einrichtung des AsylGH war und ist mannigfaltig: Einerseits gab es ob der vorweihnachtlichen Eile 2007 keine richtige Begutachtung des Gesetzes - ein Expertenhearing in letzter Minute blieb folgenlos. Dazu kommt, dass mit der Streichung des Zugs vor den VwGH generell Verfahrensmängel oder Beschwerden gegen einfache, also nicht im Verfassungsrang stehende Gesetze nicht mehr möglich sind, weil der VfGH dafür nicht zuständig ist. Dass der Minister ein Antragsrecht auf eine Grundsatzentscheidung besitzt, kritisieren Verfassungsexperten zudem als Aushöhlung der Gewaltentrennung.
H-Sprecher Christian Neuwirth hofft, dass die Rolle des Verfassungsgerichts im Asylverfahren bald klarer definiert wird. Denn durch die Neuwahlen sei auch die versprochene Personalaufstockung noch nicht ausreichend erfolgt. Apropos versprochen: Eine Evaluierung des Fremdenrechtspakets 2006 und des AsylGH steht nach wie vor aus. Eine von vielen Aufgaben für den neuen Innenminister.
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