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"Man kann die Entwicklung nicht aufhalten"

Von Marina Delcheva

Politik
Muna Duzdar ist Juristin und seit 2016 Staatssekretärin für Diversität, Öffentlichen Dienst und Digitalisierung im Bundeskanzleramt. Zuvor war sie Mitglied des Wiener Gemeinderats.
© Christoph Liebentritt

Staatssekretärin Muna Duzdar über Internet im Klassenzimmer, digitale Armut und Tablets für alle.


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Wiener Zeitung: Frau Duzdar, wann hatten Sie Zuhause Ihren ersten Computer mit Internetanschluss?

Muna Duzdar: Da muss ich kurz nachdenken. Ich muss gestehen, dass ich damit in der Arbeitswelt zum ersten Mal zu tun hatte. Da war ich 19 Jahre alt und habe ab da in verschieden Firmen gearbeitet. Ich glaube, in meiner Studienzeit habe ich mir das geleistet, einen Computer mit Internetanschluss. Da muss ich so 21, 22 Jahre alt gewesen sein. Also sehr spät, im Vergleich zu heute. Für die damalige Zeit normal.

Kinder wachsen heute auch in einer virtuellen Welt sozialer Plattformen auf. Was, denken Sie, macht das mit jungen Menschen?

Unsere Welt verändert sich und wir sehen eine permanente Verlagerung und Erweiterung in die digitale Welt. Immer mehr Dinge passieren nur noch digital. Ich sehe das eigentlich wertfrei. Das ist weder schlecht, noch gut. Das sind Entwicklungen unserer Gesellschaft. Für mich bedeutet die digitale Welt nicht, dass wir alle vor unseren Computern und vor unseren Smartphones sitzen.

Da geht es auch darum, dass das Denken erweitert wird. Dass wir hier neue Denkstrukturen haben. Die Geräte kann jeder kaufen. Aber damit ist es nicht getan. Man muss auch das logische und technische Denken von Anfang an fördern und unterstützen, schon im Kindergarten. Den spielerischen Zugang zu Technik, zur Logik. Man kann die technologische Entwicklung nicht aufhalten. Das ist auch nicht unsere Aufgabe. Das erinnert mich ein bisschen an die Entwicklung der Industrialisierung als Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ihren Arbeitsplatz gefährdet gesehen haben und Webstühle vernichtet haben.

Ich möchte Ihnen in einem Punkt widersprechen. Sie haben gesagt, dass jeder ein Gerät kaufen kann …

Das ist vielleicht nicht richtig gewesen. Aber die Geräte sind verfügbar.

Mit der zunehmenden Digitalisierung nimmt auch die sogenannte "Digital Divide" – also die digitale Kluft – zu. Während manche 15-Jährige hochkomplexe Codes auf ihren Tablets programmieren können, können andere nicht sinnerfassend lesen und rechnen. Sie sind zwar auf Facebook, haben aber kein technisches Know-how. Wie kann man diese wachsende Kluft schließen?

Das habe ich mir als Vision und Ziel gesetzt. Dieses Leitprinzip kommt auch beispielsweise in der Digital Roadmap, dem digitalen Fahrplan für Österreich, vor. Wir wollen nämlich nicht, dass in einer Welt, die zunehmend digitaler wird, Personengruppen zurück gelassen werden. Und deshalb ist ja digitale Bildung so wichtig. Über die Schulen, über Kindergärten können wir dorthin kommen. Und wir können ermöglichen, dass unabhängig von der sozialen Herkunft, unabhängig davon wie viel Geld die Eltern haben, alle digital ermächtigt werden.

Wie genau wollen Sie die Kinder dort erreichen? In der Digital Roadmap ist dem Thema Bildung ein eigener, relativ großer Teil gewidmet.

Es gab in den 1970er Jahren unter Bruno Kreisky die Schulbuchaktion. Diese Schulbuchaktion möchten wir in Wirklichkeit erweitern, indem wir auch Tablets und Laptops zur Verfügung zu stellen. Denn nicht jedes Kind kommt aus einer Familie, die sich das leisten kann. Und damit gewährleistet man auch Chancengleichheit. Der zweite Punkt ist, dass wir Projekte fördern wie das Mobile Learning Projekt. Das ist eine Aktion, bei der sich dieses Jahr 200 Schulen beworben haben, 90 Schulen wurden ausgewählt, in denen Tablets an Schulklassen gehen. Aber wo es auch nicht nur darum geht, dass die Kinder jetzt ein Tablet in der Hand haben, sondern wo es um die Stärkung der digitalen Kompetenzen geht.

Gibt es einen Fahrplan, bis wann wie viele Geräte an wie vielen Schulen gehen sollen? Und natürlich wieviel das kosten wird und wer das zahlt?

Der Zeitplan und auch die genaue Finanzierung sind derzeit Gegenstand der Verhandlungen. Bis September 2017 sollen die Details erarbeitet werden. Ziel ist, dass Schüler flächendeckend einen Zugang zu Tablets haben sollen. Kein Kind soll eine Schule ohne digitale Kompetenzen verlassen.

Grundsätzlich sind Schüler nur so gut wie ihre Lehrer. Sehen Sie denn die Lehrer und die Ausbildner dafür gewappnet, die jungen Menschen auf die digitale Welt vorzubereiten?

Ich glaube, es kann nur mit den Lehrern und Lehrerinnen gehen. Was heißt, dass wir auch Akzente setzen müssen bei der Ausbildung der LehrerInnen.

Welche Akzente?

Ich bin nicht für die Lehrerausbildung zuständig, aber digitale Kompetenzen müssen noch mehr Teil davon sein. Das Bildungsministerium hat die Seiten "Digi.Check" und "Digi.Komp" gelauncht. Da kann ich testen, welche digitalen Kompetenzen ich schon habe und welche ich noch brauche. Wenn wir da nicht rechtzeitig und frühzeitig schauen, dass wir von früh an alle fördern, dann haben wir diese digitale Kluft, von der Sie gesprochen haben. Und digitale Kluft heißt in Wirklichkeit, dass die Menschen es dann auf dem Arbeitsmarkt schwieriger haben werden.

Ich möchte noch ganz kurz auf diese Kluft eingehen. Eine Studie der Arbeiterkammer zeigt, dass 80 Prozent der Schüler in Schulen mit Matura regelmäßig das Internet im Lernprozess nutzen. Bei Lehrlingen nutzt nicht einmal jeder zweite einen Computer mit Internetanschluss im Rahmen seiner Ausbildung. Wie kann man bei der Gruppe der Lehrlinge ein bisschen besser ansetzen?

Wir erreichen über Schulen ja nicht nur die klassischen AHS und Pflichtschulen, sondern auch die Berufsschulen. Wir möchten auch vom Bundeskanzleramt Ausbildungskurse anbieten zum Beispiel zur Ausbildung als Digital Messengers, als digitale Botschafter, wo es um den Umgang mit Hass im Netz geht. Wir sehen, dass das Netz unheimlich viele Chancenpotentiale birgt, aber gleichzeitig sehen wir auch die Schattenseiten und die Fehlentwicklungen. Wir versuchen über die Bildung gegenzusteuern, nicht nur in Schulen, sondern auch in den Jugendzentren. Es ist aber auch wichtig, die 20-plus-Generation abzuholen; und die PensionistInnen, auch für die muss es ein Fördern und ein Stärken ihrer digitalen Fähigkeiten geben.

Welche Fähigkeiten sollte ein junger Mensch, der mit 18 das Bildungssystem verlässt, unbedingt besitzen?

Kritisch zu sein. Reflektiert zu sein. Die Bedeutung und die Notwendigkeit von Demokratie und Rechtsstaat kennen. Bildung muss mehr als nur das Aneignen von Fachwissen sein. Das System muss mündige, reflektierte Menschen hervorbringen.