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Man kann ein Rennen immer noch aufzeichnen

Von Christoph Rella

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Dass die alpinen Olympia-Bewerbe in Pyeongchang in der Nacht übertragen werden, ist vielleicht ärgerlich. Aber auch keine Katastrophe.


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Herren-Abfahrt um 3 Uhr, alpine Kombination um 3.30 Uhr, Parallel-Snowboard-Riesenslalom um 4 Uhr. In der Nacht wohlgemerkt. Besieht man das aktuelle Fernsehprogramm für die am Freitag in Pyeongchang startenden Winterspiele, so dürften nicht wenigen schon beim Lesen die Augen zufallen. Zugegeben: Ideale Zeiten zum Olympia-Schauen sind das nicht, schon gar nicht, wenn in der Früh ein Arbeitstag ansteht. Und keine Gnade gibt es wohl auch für die meisten Familien, wenn sich um 6 Uhr Früh der Jubel über Gold mit dem morgendlichen Toben des bettflüchtigen Nachwuchses mischt. Von der realistischen Gefahr, dass - wie das auch bei Olympia 1998 in Nagano geschehen ist - Startzeiten witterungsbedingt um Stunden nach hinten verschoben werden, gar nicht zu reden. So viel Kluges können die tapferen ORF-Moderatoren gar nicht reden, um die nächtliche Warterei für den eingefleischten Fan nur halbwegs erträglich zu gestalten. Die Möglichkeit, dass dem einen oder anderen einfach der Kragen platzt und der Bildschirm in den folgenden Nächten einfach schwarz bleibt, ist da doch stark gegeben.

So unangenehm diese Perspektive für die europäischen TV-Zuschauer auch ist, so bringt es nichts, darüber zu jammern und das Ganze als eine Mega-Ungerechtigkeit zu empfinden. Denn dass das manche tatsächlich so sehen, hat unter anderem die jüngste (wenn wohl auch nicht ganz ernst) gemeinte Forderung an das IOC gezeigt, man möge doch für die Europäer die Startzeiten wegen der ungünstigen Zeitverschiebung um einige Stunden nach hinten rücken.

Wie kommt denn bitte Europa, wo der Wintersport eine viel größere Bedeutung hat und sich zudem viel mehr Geld mit TV-Rechten und Werbung verdienen lässt, dazu? Sollen sich doch die Amerikaner die Nächte um die Ohren schlagen.

Ungerecht? Das hört sich nicht nur abwegig an, sondern ist es auch. Um das zu verstehen, genügt schon ein kurzer Blick in die Statistik. Seit den ersten Olympischen Winterspielen 1924 fanden 14 von 23 Turnieren in Europa statt, während Amerika nur sechs Mal und Asien drei Mal die Gastgeberrolle zugestanden wurde. Von der TV-Übertragung her als wirklich ungünstig erwiesen sich nur die Spiele von Sapporo (1972), Nagano und nun eben Pyeongchang, alle übrigen fanden entweder (fast) zur gleichen Zeit oder, wie im Fall der amerikanischen Schauplätze, zu großen Teilen zur Prime Time statt. Dass Olympia 2022 wieder in Asien (Peking) und damit zur Unzeit stattfinden wird, haben sich die Europäer dabei auch schon selbst zuzuschreiben. Ganze zwölf Städte in Europa hatten sich für die Spiele 2022 beworben (oder zumindest eine Kandidatur erwägt) - und alle haben zurückgezogen. Man kann halt nicht beides haben: Olympia absagen (oder abwählen) und ideale Übertragungszeiten.

Und übrigens: So schlecht sind die Startzeiten in Pyeongchang auch wieder nicht - zumindest, wenn man nicht nur auf alpinen Skisport steht. Wer es nicht glaubt, werfe einen neuerlichen Blick ins TV-Programm. Gleich einige Bewerbe, angefangen beim Skispringen über die nordische Kombination bis hin zu Langlauf, Biathlon, Bob und Rodeln, werden zur besten Tageszeit ausgestrahlt. Live. Und außerdem kann man ein Rennen immer noch aufzeichnen.