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"Man muss auf die eigene Geschichte blicken..."

Von WZ Online

Politik
Julie Ward ist Abgeordnete zum EU-Parlament für die britische Labour Party. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf der Beseitigung von sozialer Ungerechtigkeit. Sie ist aktiv in der Bewegung One Billion Rising, die weltweit Maßnahmen zur Eindämmung der Gewalt gegen Frauen initiiert Das Foto zeigt sie bei einer Kundgebung der britischen Initiative Stand Up to Racism.
© EU-Parlament

EU-Abgeordnete Julie Ward über Toleranz und Ausgrenzung


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Reden wir noch miteinander? Gibt es einen interkulturellen Dialog nach den Anschlägen in Paris, nach darauf folgenden Hasspostings und Übergriffe auf völlige Unschuldige? Die britische Abgeordnete Julie Ward (S&D) beschäftigt sich seit langer Zeit mit Intoleranz und Rassismus.

Viele bezeichnen den Multikulturalismus als Auslöser für die jüngsten Terroranschläge. Wie antworten Sie darauf?

Diese Taten wurden von einer kleinen Minderheit verübt. Die Terroranschläge sind keineswegs das Ergebnis des Multikulturalismus, sondern der Ausgrenzung. Ich vertrete den Nordwesten Englands, darunter auch Manchester. Dort gibt es einen stark ausgeprägten gesellschaftlichen Zusammenhalt. Menschen verschiedener ethnischer Herkunft arbeiten an gemeinsamen Projekten in verschiedenen Bereichen. Man sieht hier, wie Menschen mit verschiedener Herkunft und Kultur zusammenleben und aus Manchester eine der erfolgreichsten, dynamischsten Städte der Welt machen.

Welche Maßnahmen können getroffen werden, um Integration und sozialen Zusammenhalt auf EU-Ebene zu fördern?

Der Bildung kommt hier eine Schlüsselrolle zu. Kinder werden nicht mit diesem Hass geboren. Es ist daher ganz wichtig, bereits im Kindesalter an die Thematik heranzugehen. Wir verspüren oft Angst vor dem Fremdartigen. Menschen müssen miteinander in Dialog treten und sich untereinander austauschen. In den Schulen in Manchester werden zum Beispiel muslimische Feiertage gefeiert, aber auch die jüdischen, christlichen und hinduistischen Feiertage. Werden verschiedene Kulturen miteinander geteilt, so bereichert dies eine Gesellschaft.

Die Medien haben den Rassismus in gewisser Weise legitimiert. Die Schuld wird immer auf andere abgewälzt, sei es nun bezüglich der Wirtschaftskrise oder der Arbeitslosigkeit. Es wird nicht mehr zwischen Migranten und Flüchtlingen unterschieden. Es entsteht eine Kultur der Angst. Wenn Menschen jedoch miteinander in Dialog treten, dann zeigt sich, dass wir im Grunde alle Menschen mit den gleichen Bedürfnissen und Sorgen sind. Darum geht es.

Würden Sie in diesem Sinne argumentieren, dass Migranten und Flüchtlinge die Gesellschaft bereichern?

Man muss nur auf seine eigene Geschichte zurückblicken. Ich habe Vorfahren, die vor der Verfolgung der Hugenotten in Frankreich fliehen mussten. Sie brachten Wohlstand und Fachkompetenz und halfen dabei, den Handel mit Spitzenstoffen in Nottingham aufzubauen.Oder nehmen wir den staatlichen Gesundheitsdienst Großbritanniens als Beispiel. Dieser ist heutzutage von Arbeitsmigranten abhängig. Wir müssen auch feststellen, dass Menschen, die aus Entwicklungsländern kommen, die vor hoffnungslosen Situationen fliehen mussten, einen ausgeprägten Unternehmergeist zeigen.

In Hinblick auf Ausgrenzung und Intoleranz müssen wir uns die Geschichte vor Augen führen und daraus lernen, wie wir die Zukunft besser gestalten können. Dafür ist es nötig, uns die unangenehmen Wahrheiten der blutigen Geschichte Europas zu vergegenwärtigen. Wir möchten den Aufstieg des Faschismus nicht nochmals erleben. Werden Menschen als "andersartig" angesehen, so werden die ersten Schritte in Richtung Genozid gesetzt. Ich sage: Lasst uns aus der Geschichte lernen und verhindern, dass so etwas nie wieder geschieht.

Hinweis

Am 7.12. hat der Kulturausschuss des Europäische Parlaments einen Bericht über die Rolle des interkulturellen Dialogs, der kulturellen Vielfalt und der Bildung bei der Förderung der Grundwerte der EU angenommen.