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"Man muss die Haltung ändern"

Von Alexia Weiss

Politik

Kompetenzstelle soll Lehrerausbildung für fremdsprachige Schüler verbessern.


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Wien. Migration bedingt Mehrsprachigkeit - und diese bedingt wiederum eine neue Realität an österreichischen Schulen, betont Dagmar Hackl, Rektorin der Pädagogischen Hochschule (PH) Wien, die Pflichtschullehrer ausbildet. Diese Entwicklung komme aber nicht von heute auf morgen: Seit nunmehr über 40 Jahren verändere sich die schulische Wirklichkeit. Dennoch werde in der Lehrerausbildung meist nur marginal auf die vorhandene Plurilingualität und kulturelle Vielfalt eingegangen.

Hackl hat an ihrer PH daher in den vergangenen Jahren massiv auf Migration und Mehrsprachigkeit gesetzt. Ihr Credo: "Man muss die Haltung ändern." Schließlich gehe es darum, allen Kindern Chancen zu geben, egal welchen Hintergrund sie haben. Und bis das gelinge, sei noch ein Stückchen Weg zu gehen.

An der PH Wien wurde 2010 begonnen, eine Kompetenzstelle für Mehrsprachigkeit und Migration einzurichten. Die Einrichtung soll die Lehrveranstaltungsangebote in der Lehreraus- und -fortbildung beim Deutscherwerb, aber auch bei der Einbeziehung von Mehrsprachigkeit in den Unterricht professionalisieren, um so die Zahl an leistungsschwachen Schulabgängern zu verringern. "Deutsch ist die Unterrichtssprache und diese muss von den Kindern erlernt und beherrscht werden", betont Hackl. Aber die Schüler würden eben noch andere Sprachen sprechen. Die Frage sei: "Wie gehe ich damit um?"

Österreichweit ist laut Zahlen des Bildungsministeriums an den Volksschulen der Anteil von Kindern mit nicht-deutscher Erstsprache von 13,4 Prozent im Schuljahr 1999/2000 auf 23,2 Prozent 2009/10 angestiegen. In Wien betrug der Anteil von Schülern mit einer anderen Muttersprache bereits 1993/94 27,7 Prozent, bis 2009/10 ist er auf 51,8 Prozent angestiegen. An den Wiener Hauptschulen sitzen inzwischen zu 62,8 Prozent Jugendliche mit einer anderen Erstsprache als Deutsch und auch an den Allgemeinbildenden Höheren Schulen sind es heute immerhin 29,3 Prozent.

Chance, die eigene Muttersprache einzubringen

Hackl meint, dass man diesen Schülern die Chance geben muss, ihre anderen Sprachen einzubringen. Die PH Wien bietet Studierenden und bereits Unterrichtenden seit 2009 im Rahmen des Projekts "PH goes East" Sprachkurse in Bosnisch/Kroatisch/Serbisch, Polnisch, Ungarisch, Türkisch, Russisch sowie Arabisch an. Ziel ist nicht die perfekte Sprachvermittlung, wohl aber das Erlernen grundlegender Sprachkenntnisse, die zur Verbesserung der Kommunikation mit Schülern und Eltern beitragen. Weiters geht es um eine Sensibilisierung für den Umgang mit fremden Kulturen und Sprachen, sowie um das Lokalisieren von Ähnlichkeiten und Unterschieden zwischen dem Deutschen und der Herkunftssprache der Kinder, um bestimmte Fehler besser zu verstehen.

Forciert wird an der PH Wien auch der Austausch zwischen Studierenden und Lehrenden. Drei Prozent der Studenten gehen beispielsweise im Rahmen des Erasmus-Programms für ein Semester ins Ausland. "Natürlich interessieren sich dann die meisten etwa für Frankreich oder Spanien. Wir haben aber gesagt, sie sollen in jene Länder gehen, aus denen die Kinder kommen, die sie in Zukunft unterrichten: nach Ungarn, Tschechien, Polen oder die Türkei. Sie sind dann mitten drinnen. Das bringt viele Erfahrungen, die sie später im Unterricht nutzen können." In vielen mittel- und osteuropäischen Staaten hat die PH Wien daher Partnerunis. Von diesen Hochschulen kommen im Gegenzug auch viele Gaststudierende nach Wien. Das helfe ebenfalls, der heutigen multikulturellen Realität Rechnung zu tragen.

Auch in der Forschung habe sie darauf geachtet, das Themenfeld zu bearbeiten, sagt Hackl. Sie betont: "Alles, was wir investieren, muss in die Schüler gehen." Es ist nur jene Forschung gefragt, die eine direkte Auswirkung auf den Unterricht hat. Derzeit beteiligt sich die PH Wien etwa an dem Projekt "Beeinflusst beziehungsweise verändert die Erfahrung von Zwei-/Mehrsprachigkeit das Normalitätskonzept?" des Bildungsministeriums.

Gebraucht würden mehr Lehrer mit Migrationshintergrund, betont die Rektorin. Ihrer Einschätzung nach erhöhe sich der Anteil der Studierenden mit nicht-deutscher Erstsprache von Jahr zu Jahr - doch bisher wurden dazu kaum Daten erhoben. Lediglich die Staatsbürgerschaft wird vermerkt, die aber oft keinen Rückschluss auf den familiären Hintergrund eines Studierenden bietet. Und Kompetenzen wie etwa Mehrsprachigkeit, aber auch auf welchem Niveau die anderen Sprachen beherrscht würden, habe man bisher nicht abgefragt. Ein Forschungsprojekt soll Licht ins Dunkel bringen: Die PH arbeitet gemeinsam mit dem Institut für Sprachwissenschaft der Uni Wien daran, ein "Sprachenprofil der PH Wien" zu erstellen.

Fazit Hackls: Wien müsse besonders viel bewältigen - und sei mit einem schwerfälligen Schulsystem konfrontiert, in dem Änderungen auch Zeit bräuchten. "Ich glaube aber, dass wir jetzt auf einem sehr guten Weg sind. Wichtig ist, dass die Kinder gut Deutsch sprechen - und gleichzeitig ihre Herkunft nicht verleugnen müssen." Dazu brauche es vor allem Haltungsänderungen. "Damit Kinder ihre Bildungschancen erhalten, muss man eine positive Grundeinstellung zur Mehrsprachigkeit haben."