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"Man muss Probleme ansprechen"

Von Christian Rösner

Politik

Leopold Radauer über den Wechsel von Willkomenseuphorie zu Ablehnung gegenüber Flüchtlingen und was die Medien damit zu tun hatten.


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Wien. "Was ist seit dem Beginn der Flüchtlingskrise in Österreich gelungen? Was hat funktioniert, was hat nicht funktioniert? Diesen Fragen wollen wir heute mit wissenschaftlichem Anspruch auf den Grund gehen", sagt Leopold Radauer, ehemaliger Direktor der Generaldirektion A - Personal und Verwaltung, Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union, Rat der Europäischen Union und Vorstandsmitglied des Sir Peter Ustinov Institutes.

Erörtert werden diese Fragen mit prominenten Vortragenden - unter ihnen Dirk Hoerde von der Universität Bremen/Arizona State University), Phil Triadafilopoulo von der University of Toronto, Kanada, Barbara Herzog-Punzenberger von der Johannes Kepler Universität Linz, Johannes Kopf vom Arbeitsmarktservice Österreich und Karin Scherschel von der Hochschule Rhein-Main.

Zum Abschluss dieser ganztägigen wissenschaftlichen Konferenz - der Titel lautet im Übrigen: "Schaffen wir das? Zwei Jahre nach dem großen Flüchtlingszustrom" - findet ab 18 Uhr eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion in der Sky Lounge der Universität Wien statt. Am Freitag gibt es, wie bereits berichtet, noch zusätzlich Workshops zu dem Themenkomplex. Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" erklärt Radauer die Beweggründe, für die Konferenz.

"Wiener Zeitung": Welchen Output soll diese Fachkonferenz liefern?

Leopold Radauer: Es werden Wissenschafter zu den relevanten Themen sprechen und versuchen, eine Antwort auf die Frage zu finden, ob wir es nun geschafft haben oder nicht, mit der Flüchtlingskrise umzugehen. Und diese Frage soll mit einem wissenschaftlichen Anspruch beantwortet werden. Professor Dirk Hoerder, der sehr viel in den USA, Kanada, Frankreich und Deutschland gelehrt hat, ist ein ausgesprochener Experte für Migration. Und der kanadische Professor Phil Triadafilopoulos wird aus der kanadischen Erfahrung der Integration von Flüchtlingen sprechen.

Denken Sie, dass man kanadische Integrationsmodelle auf Europa umlegen kann?

Das glaube ich nicht. Aber wir können in manchen Bereichen von Kanada lernen. Und es ist ganz gut, die verhärtete und eindmensionale Diskussion in Österreich ein wenig zu relativieren, indem man sich anschaut, wie in einem wirklichen Einwanderungsland Integration gemacht wird und was es auch dort für Probleme gibt.

Österreich ist doch auch ein "wirkliches" Einwanderungsland - und ist es immer gewesen.

Das ist richtig. Insbesondere die Balkankriege haben das gezeigt. Österreich hat auch viele Juden aus Russland nach Israel gebracht, viele sind hier geblieben bzw. von Israel wieder nach Österreich gekommen. Und natürlich hatten wir eine große Arbeitsmigration in den 60er und 70er Jahren, woher ja unsere türkische Community in Österreich rührt. Wir haben also Erfahrung damit - aber die unterschiedlichen Phasen dieser Einwanderung sind immer aus dem jeweiligen Zeitkontext heraus zu betrachten und nicht miteinander vergleichbar. Und auch die Reaktion der österreichischen Gesellschaft war immer unterschiedlich.

Das Kippen der anfänglichen Willkommens-Euphorie ins Gegenteil vor zwei Jahren war größtenteils medial beeinflusst. Wird das ebenfalls Gegenstand von Diskussionen bei der Konferenz sein?

Das wird sicher zur Sprache kommen. Aber besonders konzentrieren wollen wir uns auf die Bereiche, die aktuell am dringendsten sind bzw. noch vor uns liegen - wie etwa der Zugang zum Arbeitsmarkt, gesellschaftliche Teilhabe oder die Frage, ob und wie sich Diaspora-Strukturen entwickeln.

Können Sie das konkretisieren?

Es gibt zum Beispiel in der syrischen Community, die sich in den vergangenen zwei Jahren entwickelt hat, Ansätze, dass sich Mediziner und Juristen von dort organisieren und beginnen, eigene Strukturen aufzubauen. Ein Workshop am Freitag wird sich speziell mit dem Thema auseinandersetzen - mit Blick vor allem auf jene Menschen, die die Tendenz haben, hierzubleiben. Diese wollen sich integrieren, aber auch weiterhin ihr eigenes Netzwerk pflegen. Die gehen nachvollziehbarer Weise lieber zu einem Arzt, den sie kennen und der ihre Sprache spricht.

Weil sie gerade von Schule und Kindergarten gesprochen haben - sind die Erwachsenen in dem ganzen Bildungsbereich kein Thema bei der Konferenz?

Doch natürlich, es gibt auch einen elementarpädagogischen Workshop, in dem es darum geht, wie man mit Eltern arbeitet, die einen anderen sprachlichen und kulturellen Hintergrund haben - und eben auch um die Kinder, die hier plötzlich zwischen zwei Welten stehen.

Wird die Konferenz Probleme der Integration lösen können?

Nein, da braucht es harte gesellschaftspolitische Arbeit. Und zwar auf beiden Seiten. Integration läuft nicht friktionsfrei ab - da braucht man sich gar keine Illusionen machen. Aber man muss darüber reden, die Probleme ansprechen. Das Peter Ustinov Institut hat die Vision, sich der Erforschung und Bekämpfung von Vorurteilen zu widmen. Und gerade das Flüchtlingsthema hat gezeigt, dass es auf beiden Seiten Vorurteile gibt - sowohl positiver als auch negativer Art. Jeder hat bestimmte Vorstellungen vom anderen gehabt und daraus sind auch Enttäuschungen entstanden. Und das wollen wir offen ansprechen. Nicht zuletzt, weil die Kinder hier bei uns in die Schule gehen und in die Gesellschaft hineinwachsen wollen und sollen. Dafür ist viel Empathie nötig, aber man muss auch auf beiden Seiten Klartext sprechen.

Aber was soll der konkrete Output, das konkrete Ergebnis der Konferenz sein?

Wenn alles so läuft, wie wir uns das vorgestellt haben, dann soll am Ende der Konferenz und der Workshops eine Art Abschlussdokument erstellt werden - ich sage bewusst nicht Forderungskatalog -, um aufzuzeigen, was es noch zu tun gibt. Was können Staat, Zivilgesellschaft und Wirtschaft realistischer Weise machen, um diesen Prozess der Integration weiter zu befördern, durch Zugang zu Arbeit, Bildungskarrieren usw.

Wenn es kein Forderungskatalog an die Politik sein soll - wer bekommt dann das Papier?

Es wird keine Forderungen geben, aber sicherlich Vorschläge. Und die werden dann an die zuständigen Stellen adressiert. Wir wollen den offenen Dialog über Integration zwischen allen Akteuren vorantreiben.

Leopold Radauer war Direktor der Generaldirektion A - Personal und Verwaltung, Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union, Rat der Europäischen Union und anschließend stellvertretender Generaldirektor für Administration und Infrastruktur sowie Protokollchef im Ministerrat der Europäischen Union - und damit einer der höchsten EU-Beamten im Rat. Jetzt ist er Vorstandsmitglied des Sir Peter Ustinov Institutes.