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"Man muss sie ein bisschen kämpfen lassen"

Von Michael Schmölzer

Politik

US-Präsident Trump sieht in Nordsyrien ein "Gerangel". Hunderttausende Zivilisten leiden dort unter Hunger und Gewalt.


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US-Präsident Donald Trump hat den Krieg in Nordsyrien, den er durch den Abzug der US-Truppen ermöglicht hat, zuletzt mit einem Gerangel unter Kindern verglichen: "Manchmal muss man sie ein bisschen kämpfen lassen", so der Republikaner bei einem Wahlkampfauftritt vor seinen Anhängern. "Und dann zieht man sie auseinander."

Die Rhetorik Trumps lässt unter anderem das Leid der Zivilbevölkerung außer Acht. Schließlich, so die Überlegung Trumps, sitzen seine Wähler eher in Memphis/USA und nicht im nordsyrischen Ras al-Ain.

Die jüngsten Entwicklungen im syrischen Dauerkonflikt treffen in der Tat vor allem Frauen, Kinder und Alte. Die Gefechte zwischen der türkischen Armee und kurdischen Einheiten, die durch eine Kampfpause unterbrochen, aber nicht beendet sind, finden in dicht bebautem Gebiet statt. Immer wieder werden Wohnhäuser von Granaten oder Bomben getroffen. Es dürfte in dem türkischen Feldzug schon mehr als 500 Tote, darunter über 70 zivile Opfer geben. Und es werden mehr.

Hunger, Elend und ein ausgeblutetes Land

Die 120-stündige Feuerpause, die zwischen der Türkei und den USA vereinbart worden war, ändert daran nichts. Denn auch am Freitag kam es zu Kämpfen zwischen türkischen Soldaten und kurdischen Milizen. Die türkische Luftwaffe flog weitere Angriffe, dabei sind mindestens sieben Zivilisten in dem Ort Bab al-Kheir östlich der Grenzstadt Ras al-Ain getötet worden. In Ras al-Ain war Gewehr- und Artilleriefeuer zu hören, aus der Stadt stiegen, wie in den Tagen davor, Rauchwolken auf.

Internationale Hilfsorganisationen schlagen Alarm. Bis zu 300.000 Menschen befinden sich dieser Tage auf der Flucht, unter den Fliehenden sind rund 70.000 Kinder. Sie werden beschossen und getötet, sind sexueller Gewalt, Hunger und Durst und Krankheiten schutzlos ausgeliefert. "Ärzte ohne Grenzen" hat alle Mitarbeiter aus der Region abgezogen. Hier verweist man darauf, dass die Sicherheit der Mitarbeiter nicht mehr gewährleistet werden könne. Angeblich wurde ein Krankenhaus durch Beschuss zumindest teilweise zerstört.

Während man sich in Europa vor allem vor einer Rückkehr der IS-Dschihadisten aus Syrien fürchtet, gehen die Vertriebenen einer ungewissen Zukunft entgegen. Sichere Korridore und Schutzzonen gibt es nicht, Zivilisten können jederzeit zwischen die Fronten geraten.

Amnesty International wirft der Türkei Kriegsverbrechen vor. Demnach liegen "erdrückende Beweise" für willkürliche Angriffe in Wohngebieten vor. Amnesty-Generalsekretär Kumi Naidoo bescheinigte der türkischen Armee und ihren syrischen Verbündeten eine "vollkommene Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben von Zivilisten". So gebe es Beweise für die "kaltblütige Erschießung einer prominenten syrisch-kurdischen Politikerin". Die Hilfsorganisation "SOS-Kinderdörfer" warnt vor einer neuen humanitären Katastrophe in einem Land, dass nach mehr als acht Jahren Krieg ausgeblutet ist.

Die Vertriebenen suchen derzeit vor allem in Syrien und im Irak Schutz, doch auch dort herrscht Not. Die Infrastruktur, wie etwa Getreidespeicher, ist zerstört, es fehlt die Lebensgrundlage. "Am dringendsten werden Wasser, Lebensmittelpakete und Hygieneartikel benötigt", weiß Andreas Knapp, Caritas Generalsekretär für Internationale Programme. Es fehle aber auch an Medikamenten und Decken.

Erste Konturen einerpolitischen Zukunft

Unterdessen stellt sich immer drängender die Frage, wie die künftige politische Ordnung nach dem Krieg aussehen könnte. Die USA haben sich in Syrien aus dem Spiel genommen, bleibt als einzig verbliebene Großmacht Russland. Präsident Wladimir Putin unterstützt Machthaber Bashar al-Assad seit Jahren militärisch. Ohne die Hilfe Moskaus wäre die Regierung in Damaskus längst unter die Räder gekommen. Der Anspruch Assads ist es, das gesamte syrische Gebiet zu kontrollieren. Darin wird er von Russland unterstützt, es läuft alles nach Plan. Der Abzug der USA hat es ermöglicht, dass die syrische Armee bis an die türkische Grenze vordringt. Auf der anderen Seite konnte die Türkei, die bereits in der letzten Rebellen-Provinz Idlib militärisch präsent ist, Truppen in die Kurdenregion schicken.

Die Türkei und Russland haben in Syrien zwar gegensätzliche Interessen, kooperieren aber seit Jahren im Rahmen regelmäßiger Treffen. Beide könnten, gemeinsam mit dem Iran, auch in Zukunft gemeinsam ihre Interessen abstecken. Russland will über Syrien großen Einfluss in Nahost ausüben. Die Türkei will das syrische Gebiet an der Südgrenze nachhaltig unter Kontrolle halten. Das könnte in Zukunft funktionieren. Unter die Räder kommen die Kurden, die sich den Traum von einer autonomen Region, wie sie im Nordirak besteht, begraben müssen.

Wiederaufbau hatbereits begonnen

Die Frage ist, wer für den Wiederaufbau Syriens aufkommt. Der Sachschaden durch die Kämpfe wird auf 400 Milliarden US-Dollar geschätzt. Russland hat bereits tausende Tonnen an Wasserleitungen und hundert Kilometer Hochspannungskabel geliefert, um in den von Assad zurückeroberten Gebieten die Strom- und Wasserversorgung wiederherzustellen. In Aleppo wurden einige Fabriken wieder instand gesetzt. Die Türkei will in einen Sicherheitsstreifen an der Südgrenze investieren und Städte und Dörfer für arabische Flüchtlinge aufbauen, die dorthin umgesiedelt werden sollen.

In Europa ist man der Ansicht, dass Assad als starker Mann Syriens nur eine Übergangslösung sein kann. Solange keine politische Lösung gefunden ist, will in der EU kaum jemand den Geldhahn aufdrehen. Allerdings hat die Türkei mit der Drohung, Flüchtlinge nach Europa zu schicken, ein starkes Druckmittel in der Hand.