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"Man sieht Kinder im Schnee sitzen"

Von Laura Leyser

Gastkommentare
Laura Leyser ist Geschäftsführerin von Ärzte ohne Grenzen Österreich.
© Herwig Prammer

Hunderttausende fliehen zurzeit vor der Offensive der Regierungstruppen in das letzte von Oppositionellen gehaltene Gebiet in Syrien.


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Ein Arzt, der für Ärzte ohne Grenzen im Lager Deir Hassan arbeitet, das 30 Kilometer westlich von Aleppo liegt, hat uns berichtet: "Seit fast neun Jahren ist Krieg. Die Schwierigkeiten, die wir in diesem Jahr durchleben müssen, sind jedoch so groß wie die vorangegangenen acht Jahre zusammengenommen." Hunderttausende fliehen zurzeit vor der Offensive der Regierungstruppen in das letzte von Oppositionellen gehaltene Gebiet in Syrien. Unser Arzt berichtet, dass sie bei Schnee und Kälte oft unterwegs sind und teilweise im Freien übernachten müssen. Hier ist der Bericht, den ich von ihm bekommen habe:

"In der vergangenen Woche ist die Armee sehr schnell in das Gebiet westlich von Aleppo vorgerückt. Die Menschen haben damit nicht gerechnet. In Al Atareb, Abian, Kafr Naha, Kafr Nouran und Maarat-al-Nouman verließen sie ihre Häuser. Einige gingen zu Fuß, denn nicht jeder kann ein Auto auftreiben. Sie liefen viele Kilometer ohne Habseligkeiten durch die Kälte - ohne etwas, das sie warmhielt. Einige flohen nur mit den Kleidern, die sie am Leib trugen.

Es schneit seit zwei oder drei Tagen in ganz Idlib. Man sieht Menschen mit Decken am Straßenrand sitzen. Man sieht Frauen mit Kindern im Arm, die in Decken eingewickelt sind. Man sieht Kinder, die im Schnee unter Olivenbäumen sitzen. Es bringt einen zum Weinen.

Viele Menschen sind auf dem Weg nach Afrin und Asas. Sie wissen, dass es keine Häuser zu mieten gibt. Manche können vielleicht bei Menschen wohnen, die sie kennen - sonst müssen sie im Freien bleiben, bis ihnen jemand ein Zelt gibt. Andere Menschen wandern ziellos umher und haben keine Ahnung, wohin sie gehen.

In der Stadt Al-Dana leben einige Menschen in unfertigen Gebäuden, mit einem Dach und Wänden, aber ohne Fenster. Die meisten können in der Stadt keine Unterkunft finden, sodass sie gezwungen sind, Zelte aufzustellen, wo immer sie können.

Diese Gebiete sind mit Zelten bedeckt, und je näher man der türkischen Grenze kommt, desto mehr Zelte sieht man. Diejenigen, die sich kein Zelt leisten können, teilen sich eines mit anderen Familien. Manche haben ihr ganzes Hab und Gut auf den Boden geworfen, weil sie noch kein Zelt haben und im Freien leben. Die Menschen frieren. Es ist katastrophal. Menschen jeglichen Alters sind aufgrund des kalten Wetters krank. Die Menschen haben keine Heizung und keine Medikamente.

Ich bin auch ein Vertriebener. Aus dem Dorf, in dem ich jetzt lebe, können wir die Bombenangriffe aus der Nähe hören, die von den Fronten kommen. Seit fast neun Jahren ist Krieg. Die Schwierigkeiten, die wir in diesem Jahr durchleben müssen, sind jedoch so groß wie die der vorangegangenen acht Jahre zusammengenommen.

Die Menschen hier wissen, dass in jedem Augenblick das Schlimmste passieren kann. Die Menschen sind verloren und haben keine Ahnung, was vor sich geht. Die Angst hat uns vernichtet. Wir wissen nicht, was politisch vor sich geht, und wir wissen nicht, was in der Zukunft passieren wird. Alles, was wir wollen, ist ein sicherer Ort zum Leben."