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Man spricht Deutsch in Ramat Gan

Von Walter Hämmerle, Israel

Politik

Rund 80, zum Teil bereits hochbetagte gebürtige Österreicher leben in der Senioren-Residenz Anita Miller bei Ramat Gan in der Nähe von Tel Aviv. Kunststaatssekretär Franz Morak stattete ihnen am vergangenen Mittwoch anlässlich seines Israel-Aufenthaltes eine Besuch ab und entschuldigte sich ausdrücklich für das Fehlverhalten Österreichs gegenüber den jüdischen Emigranten nach 1945.


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Es sei ein Fehler gewesen, dass Österreich nach 1945 keine Einladung zur Rückkehr an die Emigranten ausgesprochen habe. "Dafür möchte ich mich entschuldigen", erklärte Morak und versicherte, dass die Bundesregierung fest entschlossen sei, die Verantwortung Österreichs für die Geschehnisse in der Vergangenheit durch Zeichen abzuarbeiten.

Hier nahm den Staatssekretär gleich die 96-jährige Irene Aloni beim Wort: Es fehle den kulturbegeisterten Senioren nicht zuletzt auch "in pekuniärer Hinsicht" an den notwendigen Mitteln, die österreichische Kultur hier hoch zu halten. Doch leider seien diesbezüglich die Österreicher "nicht sehr spendierfreudig" und auch die Jüdische Kultusgemeinde in Wien schaue "mehr aus sich als auf uns". Wenigstens in Sachen Kulturangebot konnte Morak Abhilfe schaffen, brachte er doch ein Österreich-Video und mehrere CDs mit klassischer Musik von Mozart und Strauss als Gastgeschenk mit. Und auch der österreichische Kulturattachee versucht, wo immer möglich Kultur-Veranstaltern ein paar Gratistickets für die Heimbewohner zu entlocken.

Von den insgesamt rund 90 Bewohnern des noblen Seniorenheims haben gut 80 ihre Wurzeln in Österreich. Kein Wunder also, dass man hier Deutsch spricht - nicht selten sogar mit noch deutlich erkennbaren Wiener Akzent, wenngleich sich mittlerweile auch der eine oder andere hebräische Ausdruck in die Umgangssprachen eingeschlichen hat. Der Großteil der Heimbewohner verließ schon vor dem Anschluss an Hitler-Deutschland 1938 seine angestammte Heimat, um dem Nazi-Terror zu entkommen.

Reges Interesse am Geschehen in der Heimat

An den Geschehnissen in der alten Heimat nehmen die Senioren nach wie vor regen Anteil. Als Hauptinformationsquelle dient dafür die "ZiB 2", die man via Satellit auf 3Sat problemlos empfangen kann. Ein junger österreichischer Gedenkdiener ist ihnen bei der Bewältigung ihres Alltags behilflich.

Die meisten freuen sich über den Besuch Moraks. So auch Grete Kohn, die in der Taborstraße im 2. Wiener Gemeindebezirk aufwuchs und Ende 1938 nach Israel kam. "Wir haben Glück gehabt", meint die rüstige alte Dame: Ein großherziger englischer Botschafter in Köln habe damals für kurze Zeit englische Touristenvisa für Palästina, das damals noch englisches Mandatsgebiet war, um 60 Pfund verteilt. Erst 1960 besuchte sie anlässlich einer Europa-Reise zum ersten Mal wieder Wien. Im Seniorenheim lebt sie nun seit 10 Jahren - übrigens gemeinsam mit ihrer Schwester Fritzi Hull, die den Krieg in England überlebte, dort heiratete und erst in den 70er Jahren nach Israel zog.

Schon 1934 kam dagegen Lea Klein ins damalige Palästina. Was Hitler vorhatte, sei damals schon deutlich absehbar gewesen, so die aus Brünn stammende Dame. In ihre alte Heimat kehrte sie - aus Mangel an überlebenden Verwandten - nie wieder zurück. Nun lebt die 88-Jährige bereits seit 7 Jahren in dem Heim.