Neue juristische Praxis beim Untreue-Tatbestand.
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Wien. Bis vor kurzem wurde in Österreich strafrechtlichen Ermittlungen infolge wirtschaftlicher Misserfolge keine hohe Aufmerksamkeit geschenkt. Das änderte sich schlagartig, als der Oberste Gerichtshof (OGH) durch ein Urteil im August 2012 den Tatbestand der Untreue (Paragraf 153 StGB) in den Fokus des öffentlichen Interesses rückte.
Damals hob der OGH den Freispruch des Landesgerichts Klagenfurt im Verfahren gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Hypo Alpe Adria, Wolfgang Kulterer, wegen Kreditvergabe an die marode Fluglinie Styrian Airways auf. Begründung der Höchstrichter: Ein Bankangestellter missbrauche seine Vertretungsbefugnisse vorsätzlich, "wenn er trotz erkannter mangelnder Bonität und fehlender Sicherheiten zum Zeitpunkt der Kreditschuldentstehung wirtschaftlich unvertretbar Kredit gewährt".
"Dieses Urteil hat Entscheidungsträger quer durch die Branchen erschüttert", sagt Karin Mair, Certified Fraud Examiner und Partner beim Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte Österreich. Der Grund: Laut dem Untreue-Paragrafen ist ein vorsätzlich herbeigeführter Schaden von mehr als 50.000 Euro mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren bedroht. "Dieser Betrag ist bei gewissen Krediten oder Firmenkäufen und -verkäufen sehr schnell erreicht", gibt Mair zu bedenken.
Dem nicht genug: "Neben der strafrechtlichen Verantwortung drohen auch arbeitsrechtliche Konsequenzen, wie Entlassung, Reputationsverlust, hohe Vertretungskosten und besonders in komplexen Fällen eine lange Verfahrensdauer", beschreibt Wolfgang Höller, Leiter der Abteilung Compliance und White Collar Crime bei Schönherr Rechtsanwälte, den schlimmsten Fall.
Wenn Machthaber Befugnisse missbrauchen
Doch nicht jede wirtschaftliche Fehlentscheidung ist gleich als Untreue-Delikt zu werten. "Zur Verwirklichung des Tatbestandes der Untreue ist notwendig, dass ein wissentlicher Befugnis-Missbrauch eines Machthabers dazu führt, dass einem anderen ein Vermögensnachteil zugefügt wird", präzisiert Höller. Fakt ist aber: Unternehmen und Manager sind heute viel häufiger mit Anzeigen wegen Untreue-Verdacht konfrontiert als früher, wozu die Schaffung der Kronzeugenregelung und die Installierung von Whistleblower-Hotlines wahrscheinlich beitragen.
Wenn Management-Entscheidungen immer öfter vor dem Richter landen, stellt sich für die Entscheidungsträger die Frage, wie man dieses Risiko effektiv vermeidet - Stichwort Directors- and Officers-Versicherungen, die Unternehmen gegen etwaige Malversationen ihrer Manager abschließen. "Bei D&O-Polizzen besteht keine Versicherungsdeckung bei strafrechtlichen Vorsatzdelikten wie etwa Untreue", warnt Höller. D&O-Versicherungen können zwar eine gewisse Strafrechtsschutzdeckung für Vertretungskosten umfassen. Aber: "Kein Versicherer geht für den Manager ins Gefängnis", bringt es Karin Mair auf den Punkt.
Transparenz und Nachvollziehbarkeit
"Für Unternehmen empfiehlt es sich daher, klare Leitlinien vorzusehen, wie Geschäftsfälle zu dokumentieren sind", empfiehlt Klara Jaros von Schönherr Rechtsanwälte. "Wenn alle Handlungen von Managern transparent und problemlos nachvollziehbar sind, minimiert sich das Risiko einer Straftat."
Weitere wichtige Präventivmaßnahmen sind:
Befugnisse prüfen: Jeder Entscheidungsträger sollte überprüfen, inwieweit seine Befugnisse noch mit der tatsächlichen Tätigkeit übereinstimmen. "Es gibt Bereichsleiter, deren Stellenbeschreibungen 15 Jahre alt sind. Die wickeln mittlerweile Geschäfte ab, bei denen sich die Frage stellt, ob sie damit nicht längst ihre Befugnisse überschreiten", schildert Mair.
Schulungen: Regelmäßige Mitarbeiterschulungen in Abstimmung mit den Unternehmenszielen sind ein Muss. "Viele Unternehmen geben sich einen Code of Conduct, haben aber Ziele, die davon relativ entkoppelt sind, bis hin zum Parallel-Universum", beklagt Mair. "Das kann aber bereits eine Vorstufe zur Untreue darstellen." Der Code of Conduct sollte also speziell an die Firma angepasst werden. Jaros: "Es sollten daher nicht allzu ambitionierte Ziele gesetzt werden, die im praktischen Tagesbetrieb nicht eingehalten werden können."
Krisenmanagement: Wenn es zu Fällen von Untreue kommt, muss diesen auch nachgegangen werden. "In Österreich nimmt man das noch eher auf die leichte Schulter, vor allem bei jenen, die in der Hierarchie oben stehen", bedauert Mair. Und so werden Geschäftsführer, auch wenn sie nachweislich Gelder veruntreut haben, keineswegs immer angezeigt. "Oft werden sie, weil sie viel über das Unternehmen wissen, maximal versetzt oder abgemahnt", ärgert sich Mair. "Und nicht selten sogar noch mit einem Golden Handshake belohnt."